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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Gitterstäbe, die ihn von der Freiheit trennten. Die Wachen auf den Mauern, die ihn sonst ignorierten, beobachteten ihn misstrauisch, wenn er sich dem Tor näherte, und die Stalljungen ließen ihn nie mit den Pferden allein. Die Nebentore hatte Korvellan bereits vor einiger Zeit vernageln lassen. Wer die Festung betreten oder verlassen wollte, musste das Haupttor benutzen.
    Gerit legte die Axt beiseite, mit der er Feuerholz zerkleinert hatte. Die Nachtschatten erlaubten ihm, mit Werkzeugen und Waffen zu arbeiten. Korvellan hatte Gerit vor einigen Tagen noch gelobt, weil er seine Schwerter so sorgfältig poliert hatte. Alle in der Küche waren stolz auf ihn gewesen.
    Langsam begann er die Holzscheite aufzuschichten. Er ließ seine Haare ins Gesicht hängen und beobachtete die Mauern und das Tor durch die Strähnen. Jede Wache hatte ihren eigenen Rhythmus, das hatte er bereits herausgefunden. Nie machten mehr als zwei gleichzeitig Pause. Sie sprachen sich mit Handzeichen ab, die sie selbst bei Nacht erkannten. Nachtschatten sahen besser als Menschen, vor allem in der Dunkelheit.
    Gerit fragte sich, ob es nicht besser wäre aufzugeben. Der Gedanke hatte etwas seltsam Beruhigendes. Er stellte sich vor, wie er die Pergamente mit all den Zahlen und Notizen verbrannte, und spürte Erleichterung.
    Das ist das Blut meines Vaters, dachte er, das Blut eines Feiglings. Ich werde ihm nicht nachgeben.
    »Woran denkst du?«, fragte Mamee. Sie war neben ihm aufgetaucht, so lautlos, wie es nur die Nachtschatten vermochten. Auf dem Rücken trug sie einen Korb voller Maka-Wurzeln. Schwarzklaue sollte an diesem Tag zurückkehren, deshalb hatte Gerit den Köchen befohlen, bereits am frühen Morgen mit den Vorbereitungen für das Hauptmahl zu beginnen. Es musste alles fertig sein, wenn er nach Essen verlangte.
    »An den Eintopf für heute Abend«, sagte er. »Schwarzklaue soll zufrieden sein.«
    »Das wird er. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.« Mamee rückte den Korb zurecht. »Begleitest du mich zurück zur Küche? Die Köche warten schon auf ihr Maka.«
    Gerit warf einen Blick über den Hof. Die Küche war keine fünfzig Schritte entfernt. Er fragte sich, weshalb Mamee seine Gesellschaft auf einem so kurzen Weg wünschte, richtete die Frage jedoch nicht an sie. Stattdessen hängte er die Axt an einen Haken im Unterstand. »Wie du wünschst.«
    Es klang steifer und ablehnender, als er beabsichtigt hatte. Er räusperte sich. »Weißt du, wo Schwarzklaue war?«, fragte er rasch hinterher, um seinen Tonfall abzumildern. »Ich habe ihn seit fast zehn Tagen nicht mehr in der Festung gesehen.«
    »Seidenfell sagte, er würde die Krieger in der Stadt auf den Kampf vorbereiten. Er ist ein großer Feldherr, weißt du? Er wird es nicht zulassen, dass die Menschen uns Somerstorm wegnehmen, auch wenn …«
    Sie biss sich auf die Lippe und sah Gerit an. »Das hätte ich nicht sagen sollen, entschuldige. Manchmal vergesse ich, dass du ein Mensch bist, nicht einer von uns.«
    Er hob die Schultern. »Du sagst nur, was du denkst.«
    Das Pergament in seiner Hosentasche knisterte bei jedem Schritt. Seit er seine Flucht beschlossen hatte, trug er es bei sich. Er bezweifelte, dass Mamee ahnte, wie verzweifelt die Situation ihres Volkes tatsächlich war. Gerade mal einhundert Nachtschatten, Männer und Frauen, hatte Korvellan für kampftauglich erklärt. Keiner von ihnen hatte je einer Armee angehört. Wenn Schwarzklaue tatsächlich die letzten zehn Tage mit ihrer Ausbildung verbracht hatte, würde er in schlechter Stimmung in der Festung eintreffen. Gerit glaubte jedoch, dass er die Zeit genutzt hatte, um Bauern beizubringen, wie man menschengroße Puppen bastelte und auf Pferden festschnallte. Eine Armee aus Holz und Stroh.
    Sie gingen über den Hof. Aus den Augenwinkeln sah Gerit, dass die Tür zur Gerberei geschlossen war. Moksh schlief anscheinend noch.
    »Hasst du uns?«, fragte Mamee.
    »Nein.« Es hätte eine Lüge sein sollen, aber Gerit bemerkte überrascht, dass es die Wahrheit war. »Ich hasse, was ihr getan habt, was ihr mir weggenommen habt, aber ich hasse nicht euch. Ich könnte hier nicht leben, wenn es so wäre.«
    Er drehte sich um. Mamee war stehen geblieben. Sie hatte den Kopf gehoben, sah aus wie ein Wolf, der Beute wittert.
    »Komm mit«, sagte sie.
    Gerit folgte ihr. Sein Magen verkrampfte sich, als er sah, dass sie auf die Gerberei zuging. »Ich möchte wirklich nicht mit Moksh reden.«
    Mamee antwortete, ohne sich

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