Sturm
der von zwei älteren Männern in Zaumzeug gezogen wurde. Die beiden Männer sprachen nicht, und auch Rickard und Craymorus schwiegen, während der Karren sich an flachen Holzhäusern, Waldstücken und Feldern den Weg hinaufbewegte. Es war ein warmer Frühlingsnachmittag, der nach Salz und Fisch roch. Gelegentlich passierten sie Frauen, die mit gekrümmten Rücken auf den Feldern arbeiteten. Bei den Varna gingen die Männer fischen. Feldarbeit erledigten die Frauen.
Craymorus sah sich um, als sie die Hügelkuppe erreichten. Die einstöckigen Holzhäuser der Schule standen in einer Reihe nebeneinander wie Kasernen. Einige der Gebäude waren so alt, dass das Holz schwarz und hart wie Stein geworden war. Andere wurden gerade erst errichtet. Der Wald, der einst diesen Hügel bedeckt haben musste, war fast gänzlich verschwunden. An seine Stelle waren Häuser und ein großer gepflasterter Platz getreten. In der Mitte des Platzes, auf dem eine Armee hätte exerzieren können, stand eine Fahnenstange. Vor langer Zeit hatte hier die Fahne der vier Königreiche geweht, seit dem Krieg wurde sie nicht mehr benutzt. Die Meister der Schule hatten sich aus der Welt zurückgezogen.
Craymorus sah zu den Schülern, die neben dem Platz einen Kreis gebildet hatten. Sie tanzten. Ihre Beine folgten stummen Rhythmen. Staub wirbelte auf und legte sich wie eine graue Schicht auf ihre nackten Körper. Schweiß rann über ihre Gesichter. Einige zitterten. Ein Junge, der Kleinste und Dünnste aus der Gruppe, war bereits zusammengebrochen und lag am Boden. Er keuchte. Die anderen tanzten weiter, ohne ihn zu beachten. Es war schwer geworden, der Erde ihre Magie zu entreißen.
»Das wäre nichts für mich«, sagte Rickard. Sein Blick war auf den jungen am Boden gerichtet.
»Es gibt leichtere Wege als den der Magie.« Craymorus dachte an die alten Legenden, in denen Magier mit einem einzigen Schritt ganze Kriegerhorden ins Meer zurückgetrieben hatten. Heute fiel es den meisten schwer, auch nur eine Kerze zu entzünden. Vielleicht war die Magie der Welt verbraucht, so wie das Wasser in einem zu alten Brunnen.
»Du solltest Magier werden, nicht wahr?«, fragte Rickard. Er nickte in Richtung von Craymorus' Krücken. »Bevor …«
Er ließ den Satz unvollendet.
»Ja, bevor«, sagte Craymorus.
Der Karren rumpelte über den Platz an den Unterkünften vorbei. Hinter ihnen erhob sich das Haupthaus der Schule, ein dreistöckiges schwarzes Holzgebäude mit spitzem Dach, dessen Schatten über die anderen Häuser fiel. Tierschädel hingen über den Türen und den wenigen schmalen Fenstern. Ihre aufgerissenen Mäuler und leeren Augenhöhlen sollten schädliche Magie schlucken, bevor sie die Meister erreichte. Craymorus sah frische Schädel von Katzen und Hunden, von Walen und Adlern, aber auch solche, längst ausgebleichte, die von Tieren stammten, die er noch nie gesehen hatte. Einer hatte ein Maul lang wie ein Krokodil und spitz wie ein Schnabel, ein anderer schien weder Maul noch Augenhöhlen zu besitzen, nur einen Trichter, der in der Mitte des Schädels saß.
»Ich war noch nie da drin«, sagte Rickard. Er sprach leise, als habe er Angst, die Schädel könnten den Meistern im Inneren seine Worte verraten.
»Ich nur ein Mal.«
Die Meister lebten in diesem Haus. Kein Schüler durfte es ohne Einladung betreten.
Der Karren hielt auf einem kleinen Platz vor dem Haupteingang. Rickard sprang von der Ladefläche und bezahlte den Männern das Doppelte des vereinbarten Preises. Er bezahlte meistens mehr, als notwendig war. Craymorus wusste nicht, warum.
»Danke, Melordd Rickard«, sagte einer der Männer. Der andere verneigte sich tief. Die meisten im Dorf kannten den Namen des großzügigsten Schülers der Schule.
Die beiden Männer setzten sich in den Staub und entkorkten ihre Wasserschläuche. Wahrscheinlich hofften sie auf eine zweite Fuhre zurück ins Dorf.
Rickard blieb vor dem Haus stehen. Es gab mehrere Türen. Keine war beschriftet.
»Wo müssen wir hin?«, fragte er.
Craymorus klopfte mit einer Krücke gegen die breiteste der vier Türen. »Man wird es uns sagen.«
Ein kahlköpfiger Mann öffnete ihnen. Obwohl er kaum älter als zwanzig sein konnte, war sein Gesicht bereits rund wie ein Mond. Seine braune Dieneruniform spannte sich über einem gewaltigen Bauch. Auf seinen beiden Wangen war jeweils ein blauer Kreis eintätowiert.
»Der Meister erwartet euch bereits«, sagte er. Seine Stimme war so hell und klar, dass er die Worte zu
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