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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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verändern, immer der Krüppel bleiben, zu dem sie ihn in jener Nacht gemacht hatten.
    Die Erkenntnis schenkte ihm beinahe so etwas wie Frieden. Das Pochen ließ nach, die Angst verschwand. Craymorus wurde ruhig. Er sah zuerst Meister Horass an, dann Rickard.
    »Ich werde dem Befehl gehorchen«, sagte er.
     
     
    Auf dem Weg zurück redete Rickard ununterbrochen. Während die beiden schweigsamen Männer den Karren zum Dorf hinabsteuerten, sprach er von Allianzen, Truppenstärken und Angriffsplänen. Er sprach auch über die Fürstentochter, deren Name Ana war und die er retten oder rächen würde. Manchmal schien er zu glauben, dass sie noch lebte, dann wieder sah er sich über ihrer Leiche stehen.
    »Ich habe den Fürsten immer wieder gebeten, sich nicht auf Leibwächter zu verlassen«, sagte er, während der Karren die ersten Häuser des Dorfes passierte. »Das sind Mörder und Diebe, keine Soldaten. Leibwächter haben keine Ehre. Sie …«
    »Was weißt du über sie?«, unterbrach ihn Craymorus.
    »Den Orden der Leibwächter?«
    »Nein, die Nachtschatten.«
    Rickard hob die Schultern. »Was man eben so weiß. Sie haben mal die Welt beherrscht, bevor sie von den Vergangenen besiegt wurden. Es sind Tiere, die aussehen können wie Menschen. Meine Sklavin hat mir als Kind immer erzählt, dass sie bis an die Spitze der Welt geflohen sind und dass es da so kalt ist, dass die Nachtschatten sich nie in Menschen verwandeln können, weil sie ohne Fell sofort erfrieren würden. Das ist die Strafe für ihre Taten, dass sie für immer Tiere bleiben müssen.«
    »Deine Sklavin hat sich geirrt. Sie wollen Tiere bleiben.« Er setzte zu einer Erklärung an, schwieg jedoch, als er erkannte, dass Rickard zu sehr in seinen eigenen Gedanken versunken war. Er würde nichts von dem annehmen, was Craymorus ihm sagen wollte.
    Die wöchentliche Fähre nach Westfall lag bereits vor der Bucht, als der Karren am Pier stoppte. Sie lag so tief im Wasser, dass sie nicht in den Hafen einlaufen konnte. Kleine Boote und Flöße, die mit Waren, Menschen und Tieren beladen waren, fuhren hin und her. Auf dem Pier stapelten sich Getreidesäcke. Craymorus hörte Metall klirren und bemerkte eine Gruppe von ungefähr zehn Jungen, die am Rand des Piers hockten. Sie waren an Händen und Füßen zusammengekettet und nackt. Ihre Gesichter waren braun gebrannt, ihre frisch rasierte Kopfhaut weiß. Notdürftig bedeckten sie ihre Nacktheit mit den Händen. Zwei mit Schwertern bewaffnete Männer in Lederrüstung standen neben ihnen und diskutierten mit einem Bootsbesitzer über den Transport zur Fähre. Immer wieder warfen sie einen Blick auf die Jungen.
    »Sklaven für Westfall«, sagte Rickard. »Arme Schweine.«
    Er sprang vom Karren und drückte den Fahrern einige Münzen in die Hand. Die Männer bedankten sich so überschwänglich wie zuvor.
    »Wieso werden sie so behandelt?«, fragte Craymorus. Er war mit Sklaven aufgewachsen, hatte jedoch nie einen Sklavenmarkt besucht oder sich gefragt, woher die Sklaven kamen, die nicht bereits in der Obhut ihrer Herrschaft geboren wurden.
    Rickard half ihm dabei, vom Karren zu steigen. »Der Fürst von Somerstorm – wusstest du, dass er Sklavenhändler war, bevor er Fürst wurde?« Craymorus schüttelte den Kopf.
    »Der Fürst hat mir erklärt, dass ein frischer Sklave so gefährlich ist wie ein Raubtier. Er trägt noch nicht das Zeichen seines Hauses. Er glaubt, dass er noch fliehen kann. Wenn er erst mal tätowiert ist, kann er das vergessen.«
    Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Überall um sie herum wurde gehandelt. Gebrüllte Zahlen, Flüche und Gelächter schwirrten wild um Craymorus herum.
    »Manche Händler tauchen die Köpfe ihrer Sklaven in Farbe, damit sie auffallen«, fuhr Rickard fort. »Der hier rasiert ihnen die Schädel und zieht sie aus, damit sie sich schämen. Solange sie damit beschäftigt sind, ihre Nacktheit zu bedecken, denken sie nicht an Flucht. Ist nicht nett, aber er wird wissen, warum er es tut.«
    Rickard blieb stehen. »Da ist Penya.« Er sah Craymorus an und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Ich muss kurz allein mit ihr reden.«
    »Ich warte hier.« Craymorus setzte sich auf eine Kiste und legte die Krücken ab. Penya stand ein Dutzend Schritte von ihm entfernt. Sie winkte ihm lächelnd zu, doch das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, als Rickard näher kam. Er ergriff ihren Arm und zog sie zur Seite. Craymorus hörte nicht, was er zu ihr sagte, sah nur, wie Penya

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