Sturm
Familie dorthin auf, um mit dem Volk zu feiern. Es waren langweilige, steife Feste mit endlosen Ritualen und Gesängen.
Craymorus räusperte sich. »Nein, ich glaube nicht, dass du sie kennst, und es würde mich sehr freuen, wenn ich sie dir zeigen dürfte.«
Er ist nur hier, weil der Meister ihn darum gebeten hat, dachte Rickard. Noch steht er nicht auf meiner Seite. Das darf ich nicht vergessen.
Er zog die Klappe zum Kutschbock auf. »Kutscher«, rief er. »Wir fahren zuerst nach Rascone.«
»Ja, Melordd.«
»Danke«, sagte Craymorus, als Rickard sich wieder umdrehte. »Ich weiß dein Vertrauen zu schätzen.«
»Meister Horass vetraut dir. Es wäre dumm von mir, einem Meister zu widersprechen.« Es war ein kluger Satz, ein Satz, den ein Herrscher sagen würde. Rickard bemerkte beinahe erstaunt, welche Wirkung er auf Craymorus hatte. Der Krüppel senkte den Kopf und wandte den Blick ab, aber gleichzeitig lächelte er.
»Ich hoffe, dass ich mich dieses Vertrauens würdig erweisen werde«, antwortete er dann leise.
Rickard nickte und schwieg. Er spürte, dass es falsch gewesen wäre, noch etwas hinzuzufügen. Loyalität ist wie ein Samenkorn, hatte sein Taktikmeister auf der Insel gesagt. Du kannst es pflanzen, doch nur der Boden, in dem es liegt, entscheidet darüber, ob es wachsen wird.
Seine Gedanken kehrten zu dem Zwischenfall auf der Fähre zurück. Immer wieder spielte er ihn durch, ließ sich selbst eingreifen, den Nachtschatten töten und die Sklaven retten. Er wusste, was er hätte tun sollen, und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er es getan hätte, wenn die Situation ihn nicht überrascht hätte.
Er war so verdammt stark, dachte Rickard.
»Ich frage mich immer noch, wer in dem weißen Zelt war«, sagte er. Selbst als die Fähre anlegte, hatte er es nicht herausfinden können. Die weiße Sänfte, die von Soldaten aus dem Zelt getragen worden war, hatte nichts außer einem vagen Schemen im Inneren offenbart.
»Wohl jemand, der nicht gesehen werden wollte, aber nichts dagegen hatte, Aufmerksamkeit zu erregen.« Craymorus hob die Schultern. »Wer weiß.«
Das Thema schien ihn nicht zu interessieren.
Nach einer Weile hielt die Kutsche an. Rickard warf einen Blick durch den Spalt zwischen den Vorhängen und stand auf. »Wir sind da«, sagte er.
Die Kutsche wackelte, als der Fahrer vom Kutschbock sprang und die Tür öffnete. »Melordds.« Er verneigte sich. Jede Bewegung ließ Staub aus seiner Kleidung aufwallen. Hinter ihm erstreckten sich die grünen Hügel Westfalls bis zum Horizont. Rickard atmete die Luft ein. Sie schmeckte strohig und vertraut.
Er half Craymorus auszusteigen und ging um die Kutsche herum. Die Ruinen standen in einer kleinen Senke unterhalb eines Hügels. Von den weißen schlanken Säulen, die einst vermutlich ein Dach gestützt hatten, standen nur noch drei. Die restlichen lagen im Gras, umgestürzt und zerbrochen. Geschwungene Bogen, kaum breiter als ein Männerarm, erhoben sich zwischen ihnen. Sie waren so leicht, dass sie selbst bei Tauwetter nicht in den Morast einsanken. Einige Bogen waren ineinander verschlungen wie kämpfende Schlangen, aus anderen waren Stücke herausgebrochen und lagen jetzt am Boden zwischen den Säulen. Rickard erinnerte sich daran, dass er und sein Cousin Dravoly als Kinder versucht hatten, die Bogen umzuwerfen. Es war ihnen nicht gelungen.
Die Ruinen leuchteten weiß im Sonnenlicht. Mönche, die in Hütten zwischen den Hügeln lebten, hielten sie sauber. Zwei von ihnen knieten vor einem mit Blumen und Vogelfedern geschmückten Sockel. Zwei weitere standen auf Holzspeere gestützt neben den Säulen. Sie beobachteten die Kutsche aus zusammengekniffenen Augen. Die Mönche nannten sich »Die Wächter der Reinheit« und waren vor nicht einmal zehn Jahren in Westfall aufgetaucht. Rickards Vater tolerierte ihre Anwesenheit, auch wenn alteingesessene Mönchsorden immer wieder ihre Zerschlagung forderten.
Craymorus zog sich an Rickard vorbei auf die Ruinen zu. Die dunkle Hose, die er trug, flatterte um seine Beine. Rickard wusste, wie sie darunter aussahen: dürr und knorrig wie abgestorbene Äste.
Ich hätte meinen Vater angefleht, mich zu töten, wenn mir so etwas geschehen wäre, dachte er. Und er hätte es getan.
Craymorus blieb vor einer Säule stehen und ließ seine breite Hand darübergleiten. Einer der beiden Wächter sah ihn an, schwieg jedoch. Rickard nahm an, dass ihm die Anwesenheit des Fürstensohns nicht entgangen war.
»Was willst
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