Sturm
als seine Frau war.
»Cray.« Rickard winkte ihn heran. Er bemerkte, wie die Sklaven ihn neugierig ansahen. Die Beamten gaben sich desinteressiert, doch ihre Blicke folgten ihm, als er vor das Fürstenpaar trat.
»Das ist Craymorus Ephardus«, sagte Rickard, »ein Freund und Gelehrter. Die Meister haben ihn gebeten, uns in der Angelegenheit der Nachtschatten zu beraten.«
»Ich verstehe«, sagte der Fürst. »Willkommen in Westfall.«
Craymorus schüttelte seine Hand. »Danke, Herr.«
Das gefällt ihm nicht, dachte er.
»Ephardus.« Fürstin Syrah hatte eine hohe, klare Stimme. »Ist Milus Ephardus ein Verwandter von Euch?«
Craymorus verneigte sich vor ihr. »Er ist mein Vater, Herrin.«
»Dann ist es uns eine noch größere Freude, Euch willkommen zu heißen«, sagte sie. »Die Verdienste Eures Vaters sind uns wohl bekannt.«
Sie schien zu erwarten, dass Craymorus etwas darauf antwortete, aber er wusste nicht, was. Die Wahrheit: Ich habe seit fünf Jahren kein Wort mit ihm gesprochen, und ich glaube, er wünscht, ich sei tot, erschien ihm als unangemessen. Also nickte er nur.
»Die lange Reise muss Euch erschöpft haben«, fuhr die Fürstin fort. »Ein Diener wird Euch in Eure Räumlichkeiten begleiten. Wendet Euch an ihn, wenn Ihr etwas benötigt.«
»Ja, Herrin. Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft.«
»Und wenn Ihr Euch erfrischt habt«, sagte Fürst Balderick, »sucht mich im kleinen Audienzzimmer auf.« Sein Blick richtete sich auf seinen Sohn. »Ihr beide. Rickard kennt den Weg.«
»Ja, Vater.«
»Ja, Herr.«
Craymorus verneigte sich vor dem Fürstenpaar, dann folgte er seinem Diener, einem rund vierzehnjährigen Jungen mit Doppelkinn und dem Bauch eines trächtigen Schafs, ins Innere der Burg. Auch hier war alles erleuchtet. Die Teppiche, die an den Wänden hingen, zeigten Jagdmotive. An jeder Abzweigung stand ein dicker Diener. Craymorus sah keine einzige Frau.
»Gibt es hier keine Dienerinnen?«, fragte er.
»Doch, Herr«, antwortete der Junge, »aber sie leben im Trakt der weiblichen Herrschaft. Wenn Ihr eine Dienerin bevorzugen solltet, kann ich eine kommen lassen.«
»Nein, nicht nötig, es war nur eine Frage.« Craymorus fiel es schwer, mit dem Jungen Schritt zu halten. »Wie heißt du?«
»Oso, Herr.« Er blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie. »Eure Räumlichkeiten, Herr.«
Craymorus zog sich an ihm vorbei ins Innere. Mehr als zwanzig Kerzen brannten in Halterungen an den Wänden. Ein großer Eichentisch stand unter einem Fenster, von dem aus man die Lichter der Stadt sehen konnte. Auf einem zweiten Tisch standen eine Weinkaraffe und ein Korb mit Brot, Käse und Äpfeln. Durch eine zweite offen stehende Tür sah Craymorus ein breites Bett, das auf einem Podest stand und von einem Mückennetz umgeben war. Der Boden bestand aus poliertem Holz, die schweren Teppiche an den Wänden zeugten von den Heldentaten des Hauses Westfall. Einige Sessel standen neben den Tischen. Die feinen Goldfaden-Stickereien reflektierten das Kerzenlicht. Zwei Kamine waren in die Wände eingelassen, in einem von ihnen brannte ein beinahe rauchloses Feuer. Es war eine Unterkunft, die einem Fürsten genügt hätte.
»Werden diese Gemächer ausreichend für Euch sein, Herr?«, fragte Oso.
Craymorus räusperte sich. »Ja, durchaus.« Er sah den Jungen an, wohl wissend, dass jedes seiner Worte zum Fürsten gelangen würde. »Es muss dich mit Stolz erfüllen, einem so großzügigen Herrn zu dienen. Er behandelt einen unwürdigen, unangekündigten Gast wie einen König, und offensichtlich beschenkt er seine Diener mit gleicher Großmut.«
Zu seiner Überraschung verstand Oso sofort, was er meinte, denn er schlug sich mit beiden Händen auf den weit über seine Hose quellenden Bauch. »Da habt Ihr Recht, Herr. Die Diener der anderen Häuser beneiden uns. Drei warme Mahlzeiten bekommen wir jeden Tag, manchmal sogar vier.«
Für einen Moment schwang Ekel in seiner Stimme mit, doch er fing sich sofort wieder. »Ich warte vor Eurer Tür, Herr«, sagte Oso und zog die Tür zu, bevor Craymorus antworten konnte.
Aufatmend ließ er sich in einen der Sessel sinken. Mit einer Krücke zog er einen zweiten Sessel heran und legte die Beine darauf. Die Metallschienen knirschten, als er sie streckte. Der Schmerz ließ nach. Nach der langen Reise war seine Kleidung staubig und sein Körper verschwitzt. Am nächsten Morgen würde er einen Schneider kommen lassen müssen, sofern die Zeit dafür noch reichte. Er nahm
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