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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Rat eines Krüppels hört.«
    Er schüttelte den Kopf. »All Euer Wissen kann das nicht wettmachen. Ihr seid willkommen hier, solange Ihr es wünscht, aber als der Freund meines Sohnes, nicht als sein Ratgeber. Und jetzt geht, ich habe einen Feldzug zu besprechen.«
    Craymorus wusste, dass es keinen Einwand von Rickard geben würde. Er zog sich hoch und verließ den Raum. Schweiß und Scham brannten auf seinem Gesicht. Ihm war übel. Lautlos schloss er die Tür hinter sich. Er lehnte sich an den Rahmen, dankbar über das kühle Holz auf seiner Haut.
    »Vater«, hörte er Rickard auf der anderen Seite der Tür sagen. »Er ist hier, um uns zu helfen. Wir brauchen …«
    »Ich habe meine Entscheidung getroffen«, sagte Balderick. »Wir werden nicht mehr darüber reden.«
    Eine Pause. Craymorus blieb stehen, lauschte, obwohl er wusste, dass er hätte gehen sollen.
    »Wir werden morgen nach Somerstorm aufbrechen«, fuhr Balderick fort. »Fünfhundert Mann, nur Reiter, kein Fußvolk.«
    »Du willst schneller sein als die anderen.«
    »Ich will die Zeit nutzen, die sie durch Diplomatie verschwenden. Wir werden einfach durch die sechs Provinzen zwischen hier und Somerstorm reiten. Niemand wird es wagen, sich uns entgegenzustellen.«
    »Braekor vielleicht«, sagte Rickard. »Wir kennen den neuen Fürsten noch nicht.«
    Fürst Balderick lachte. »Ich kenne Braekor gut genug, um zu wissen, dass sie fünfhunderttausend Reiter aufstellen können. Er wird uns durchlassen.«
    »Und dann?«
    »Dann locken wir Korvellan aus seiner Festung. Er wird sich uns stellen, wenn wir anfangen, die Dörfer niederzubrennen und die Vorräte für den Winter zu vernichten. Und während die feigen alten Fürsten sich in die Hose pinkeln, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, rückt unsere Hauptstreitmacht nach und nimmt die Festung ein. Wir werden Somerstorm und Westfall vereinigen, so wie es sein soll.«
    Craymorus hörte, wie zwei Kelche aneinanderstießen.
    »Ich brauche fünfzig von deinen fünfhundert Männern, um nach Ana zu suchen«, sagte Rickard nach einem Moment.
    »Nein.«
    »Was?«
    »Du wirst nicht nach ihr suchen. Wenn sie noch lebt, wird sie hören, dass wir Somerstorm befreit haben, und zu uns kommen. Du wirst sie heiraten, und alle sind glücklich. Wenn sie nicht kommt, ist sie tot, und alle Verpflichtungen zwischen Westfall und Somerstorm sind nichtig. Wir gewinnen, egal, wie es ausgeht.«
    Rickard klang wütend. »Jeder Fürst zwischen hier und Braekor will sie umbringen, Vater. Ich muss wenigstens versuchen, ihr zu helfen.«
    »Das tust du, indem du Somerstorm in ihrem Namen einnimmst.«
    Stille. Craymorus rückte vorsichtig seine Krücken zurecht.
    »Du willst, dass ich Somerstorm stürme?«, fragte Rickard.
    »Ja, du hast dir das verdient. Mein Rücken macht einen solchen Gewaltritt nicht mehr mit.«
    »Und was wirst du tun?«
    »Die Hauptstreitmacht anführen. Wir werden deinen Sieg sichern, aber siegen musst du allein.« Eine weitere Pause. »Wenn du es dir zutraust«, fügte Balderick dann hinzu.
    Tu es nicht, dachte Craymorus. Du würdest gegen einen Feind reiten, den du nicht verstehst, für einen Mann, der dich führt wie eine Marionette.
    »Ich traue es mir zu«, sagte Rickard jenseits der Tür. »Und ich danke dir. Ich werde dich nicht enttäuschen und Ana auch nicht.«
    Craymorus schüttelte den Kopf. Vorsichtig wich er in den Gang zurück. Im Inneren sagte Fürst Balderick etwas, das er nicht verstand. Es spielte auch keine Rolle mehr. Er hatte genug gehört.
    So rasch und leise wie möglich drehte er sich um – und erstarrte.
    Ein Mädchen stand im Gang. Sie trug ein Tablett mit zwei schmutzigen Tellern und einem Topf. Das schwarz-blaue Kleid, das sie trug, reichte bis zu den Knien. Sie war barfuß. Ihr Gesicht war schmal und oval, ihre Augen schräg. Sie starrte Craymorus an.
    Er öffnete den Mund, aber es gab nichts, was er hätte sagen können. Sie hatte gesehen, wie ein Fremder an der Tür ihres Herrn gelauscht hatte. Das konnte er nicht leugnen.
    Der Moment zog sich zur Ewigkeit. Dumpfe Worte drangen aus dem Audienzzimmer nach draußen, dann Stühlerücken. Das Mädchen stellte das Tablett ab und winkte Craymorus mit einer Handbewegung zu sich. Er folgte ihr.
    Sie öffnete eine Tür in der Wand, die ihm vorher nicht einmal aufgefallen war. Einige Regale voller Laken befanden sich dahinter. Sie stieß ihn hinein. Seine Krücken rutschten weg. Es gelang ihm gerade noch, sich an einem Regalboden

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