Sturm
an, dass Rickard so schnell wie möglich Westfall verlassen wollte.
Aber was will sein Vater?, fragte sich Craymorus. Er schloss die Augen. Die Wärme des Kaminfeuers strich über sein Gesicht. Er war durstig, aber nicht durstig genug, um aufzustehen. Kurz dachte er daran, Oso zu rufen, verwarf die Idee aber wieder. Er war ein Gelehrter, der niemals genug Geld für Dienerschaft besitzen würde. Besser, er gewöhnte sich erst gar nicht daran.
Craymorus zuckte zusammen, als die Tür plötzlich geöffnet wurde. Sein Geist war vernebelt; er war wohl eingeschlafen.
Verspätet klopfte Rickard gegen den Türrahmen. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt einfache Leinenkleidung und Lederstiefel. »Bist du fertig?«
»Nein.« Craymorus wischte sich mit der Hand über die Augen. »Ich muss mich noch waschen und meine Sachen säubern.«
»Blödsinn, komm mit. Mein Vater ist ein Soldat. Staub und Schweiß stören ihn nicht.« Rickard klatschte in die Hände. »Oso, steh hier nicht rum. Gib deinem Herrn Wein, damit er wieder wach wird.«
»Ja, Herr.« Der Junge befolgte den Befehl sofort. Craymorus stand auf seine Krücken gestützt auf und nahm den Kelch entgegen.
»Danke.« Der Wein war schwer, süß und unverdünnt. Er trank den Kelch aus und stellte ihn auf den Tisch. »Ich würde wirklich gern noch …«
Rickard ließ ihn nicht ausreden. »Glaub mir, je länger wir meinen Vater warten lassen, desto ungehaltener wird er.«
»Wenn du meinst?« Wein lag wie ein Schleier über seinem Geist. Er folgte Rickard aus dem Zimmer und den Gang hinunter. Hinter ihm schloss Oso die Tür und setzte sich auf die Schwelle.
»Was will dein Vater mit uns besprechen?«, fragte Craymorus, als sie außer Hörweite waren.
Rickard hob die Schultern. »Truppenstärken, Marschrouten, solche Dinge. Von dir wird er was über die Nachtschatten hören wollen, nehme ich an.«
Sie gingen durch mehrere Gänge und bogen so oft ab, dass Craymorus die Orientierung verlor. Er spürte, wie der Wein ihn betäubte, und dachte daran, dass er seit dem Morgen nichts gegessen hatte.
Rickard klopfte gegen eine unscheinbare Holztür. »Vater?«
»Tritt ein«, sagte die Stimme auf der anderen Seite.
Craymorus folgte Rickard in einen Raum, der ein Spiegelbild seiner eigenen Unterkunft hätte sein können. Statt der Wandteppiche hingen jedoch Felle und ausgestopfte Tierschädel an der Wand. Ihre Blicke schienen Craymorus zu folgen.
»Setzt euch«, sagte Fürst Balderick. Er selbst saß in einem Sessel mit hoher Lehne und breiten Armstützen. Auf einem kleinen Tisch standen eine Karaffe mit Wein und drei volle Kelche. Er zeigte darauf. »Wein von der letzten Ernte. Probiert ihn.«
Craymorus setzte sich in einen Sessel. Beide Kamine brannten. Die Hitze im Raum war beinahe unerträglich. Er ließ sich von Rickard einen Kelch reichen, nippte jedoch nur daran. Es war der gleiche Wein, den er in seiner Unterkunft getrunken hatte.
Fürst Balderick sah ihn an. »Entschuldigt die Hitze«, sagte er. Es klang nicht wie eine Entschuldigung. »Sie tut meinem Rücken gut.«
Er trank einen Schluck Wein. »Euer Vater ist also Milus Ephardus.«
»Ja, Herr.«
»Ich habe noch nie den Nutzen von Magiern verstanden.«
»Vater«, begann Rickard, aber Fürst Balderick stoppte ihn mit einer Handbewegung.
»Weder den Nutzen von Magiern noch den von Gelehrten«, fuhr er fort. »Ich habe nie lesen und schreiben gelernt, mein Vater nicht, dessen Vater nicht und so weiter. Rickard ist der Erste, nicht weil ich es wollte, sondern weil seine Mutter …« Er unterbrach sich und winkte ab. »Jetzt kann er's eben, was soll's. Aber dass er Euch hierhergebracht hat, zeigt, dass diese verdammten Meister in seinen Kopf eingedrungen sind. Sie haben ihm gesagt, er ist allein nichts wert, er braucht einen Berater, einen Gelehrten wie sie, der ihm die Welt erklärt, versteht Ihr?«
Craymorus hielt den Weinkelch mit beiden Händen fest. Die Hitze und der Wein ließen seine Gedanken kriechen. »Herr, ich bin hier, um mein Wissen über die Nachtschatten mit Euch zu teilen, nichts anderes«, sagte er. Sein Blick glitt zu Rickard, doch der sah ihn nicht an, starrte nur stumm auf seine Stiefelspitzen.
»Aber wir brauchen Euer Wissen nicht«, sagte Fürst Balderick. »Ich habe noch nie eine Schlacht verloren. Meine Soldaten wissen das. Was würden sie denken, wenn sie Euch auf einmal an meiner Seite sähen? Sie würden denken, ihr Feldherr hat so viel Angst vor dem Feind, dass er sogar auf den
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