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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Staub schien niemand mehr zu denken.
    Jonan brachte sein Pferd näher an ihres heran. Seine Blicke folgten Daneel. »Was wisst Ihr über ihn?«
    Ana hob die Schultern. »Nichts. Du warst ja zugegen, als er mir vorgestellt wurde. Mein Vater hat ihn vorher nicht erwähnt.«
    Daneel ging rasch durch die Menge. Er blieb nicht stehen, als er Ana erreichte, und sah sie auch nicht an. »Zählt bis hundert und folgt mir zu den Gauklerkarren hinter Euch.«
    Sie verbat sich jede Reaktion. Lautlos begann sie zu zählen. Neben ihr stieg Jonan ab und reichte ihr die Zügel seines Pferdes.
    »Was machst du?«, fragte sie leise.
    »Nachsehen, wohin er geht.«
    »Er will, dass wir warten.«
    »Ihr wisst nichts über ihn. Warum vertraut Ihr ihm?«
    Weil er uns nicht verraten hat, wollte Ana sagen, aber Jonan verschwand bereits zwischen Karren und Menschen. Sie wickelte sich die Zügel um die Hand. Wie konnte er sie einfach so zurücklassen? Was, wenn die Soldaten sie entdeckten oder jemand sie erkannte? Sie zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und lauschte auf die Geräusche in ihrer Nähe. Sie hörte Ochsen schnaufen, Hunde bellen und Menschen reden. Sie redeten über ihre Waren, über das Wetter, aber vor allem über die Gaukler. Niemand sprach über das, was vor so kurzer Zeit vorgefallen war. Und wenn sie es doch taten, dann so leise, dass Ana nichts davon bemerkte.
    »Kommt.« Sie zuckte zusammen, doch dann erkannte sie Jonans Stimme. Sie gab ihm die Zügel zurück.
    »Entferne dich nicht noch einmal ohne Erlaubnis von mir«, sagte sie. »Wie willst du mich beschützen, wenn du nicht bei mir bist?«
    Er antwortete nicht darauf, aber sie sah, wie sich seine Schultern anspannten. Der Vorwurf ärgerte ihn.
    Gut, dachte Ana.
    Jonan führte sie an den Karren vorbei weiter von der Straße weg. Menschen hockten in Zelten oder in winzigen, aus Ästen und Fellen gefertigten Unterständen. Kühe suchten zwischen Dreck und Kot nach Gras. Ana deckte Nase und Mund mit dem Saum ihres Umhangs ab und atmete durch den Stoff.
    Die Gaukler hatten ihre Karren in einem großen Kreis am Rande des Tals aufgestellt. Im Inneren des Kreises standen Zelte. Wäsche hing an Seilen, die man zwischen ihnen gespannt hatte. Ein Lagerfeuer brannte, aber niemand wärmte sich dort. Stattdessen luden die Gaukler Karren ab und beugten sich über die Kisten. Sie bereiteten sich auf die Vorstellung vor.
    »Steigt bitte ab, Mefrouw.«
    Ana wusste mittlerweile, dass Jonan sie nur so nannte, wenn er ungehalten war. Sie lächelte unter dem Stoff ihres Umhangs.
    Sie banden die Pferde an der Deichsel eines Karrens fest und betraten den Kreis. Ana fühlte sich beobachtet, so als würde sie aus den Schatten heraus angestarrt, aber jedes Mal, wenn sie den Kopf ein wenig hob, sah sie nur Gaukler, die ihrer Arbeit nachgingen.
    Daneel stand neben einem mannshohen Zelt. Er nickte Ana kurz zu, dann zog er die Stoffbahn, die den Eingang verdeckte, auf.
    »Ich gehe vor, Mefrouw«, sagte Jonan. An Daneel vorbei duckte er sich durch den Eingang, dann drehte er sich um.
    »Ihr könnt eintreten.«
    Ana folgte ihm. Hinter ihr schloss Daneel den Eingang. Kerzenlicht erhellte einen Raum, der größer war, als Ana vermutet hatte. Felle bedeckten den Boden. Eine große Kiste diente als Tisch, mehrere kleinere als Stühle. In einer Schale lag ein Stück Ziegenkäse und ein Laib Brot. Daneben stand ein Krug mit Apfelwein. Ein Vorhang trennte den hinteren Teil des Zeltes vom vorderen. Er stand offen, und Ana konnte das Schlaflager sehen, das dort ausgebreitet worden war. Es war groß genug für zwei.
    »Euer Leibwächter ist ein misstrauischer Mann«, sagte Daneel.
    Ana schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück. »Es gibt gute Gründe für Misstrauen. Oder hast du etwa nicht mich und meine Familie verraten?« Die Schärfe ihres Tonfalls überraschte nicht nur sie selbst, sondern auch Jonan, das bemerkte sie aus den Augenwinkeln.
    »Diese Schuld habe ich tatsächlich auf mich genommen.« Daneel verneigte sich tief. Die schwarzen Tätowierungen auf seinem Kopf glänzten im Kerzenlicht. Ihre Linien flossen ineinander, machten es unmöglich, einzelne Motive zu erkennen. Eine merkwürdige Faszination ging von ihnen aus, etwas, das Ana lockte, immer weiter darauf zu blicken, zu versuchen, die Bilder hinter den Linien zu ergründen. Sie schüttelte den Kopf und sah weg.
    Daneel erhob sich. »Es gibt keine Entschuldigung für das, was ich getan habe«, fuhr er fort, »aber es gibt eine Erklärung, die ich

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