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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Euch voller Scham mitteilen würde, wenn es Euch beliebt, sie zu hören.«
    »Es beliebt mir nicht, aber ich werde sie trotzdem hören.« Ana setzte sich auf eine Kiste und griff nach dem Krug mit Apfelwein. Jonans Schatten fiel lang und schwarz über sie.
    »Lasst ihn zuerst trinken, Mefrouw.«
    Sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass der Wein vergiftet sein könnte. Erschrocken ließ sie den Krug los.
    »Selbstverständlich.« Daneel nahm ihn auf und trank einen großen Schluck daraus. »Der Wein ist zu sauer und nur wenig gereift. Trotzdem würde ich ihn nicht als giftig bezeichnen, höchstens als unangemessen für eine Person Eures hohen Standes.«
    Ana hätte beinahe gelächelt, fing sich jedoch. »Deine Erklärung«, sagte sie.
    Daneel stellte den Krug ab. Er setzte sich nicht, sondern blieb vor dem Tisch stehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt wie ein Angeklagter.
    »Grom, der Zwerg, den Ihr in Somerstorm an meiner Seite saht, sprach mich in einer Taverne an, als wir auf dem Weg zu Eurem Fest waren. Er kannte unser Ziel. Ich weiß nicht, woher.« Daneel sah Ana an. »Er bot mir Gold, sehr viel Gold dafür, eine Gruppe von Männern in Eure Festung zu schmuggeln. Er sagte, er wolle den Fürsten bestehlen und die Beute mit uns teilen.«
    »Also kamst du in unsere Festung, um zu stehlen?«
    »Das ist die Schande, die ich bis an das Ende meines Lebens tragen muss. Aber ich bitte Euch, mir zu glauben, dass ich nicht wusste, was geschehen würde, als sich die Türen Eures Festsaals schlossen. Und es war mir auch nicht bekannt, welcher Art die Männer angehörten, die sich uns anschlossen.« Er senkte den Kopf. »Sie haben alle getötet. Ich bin als Einziger entkommen. Die letzten Wochen habe ich damit verbracht, eine neue Truppe zusammenzustellen. Wir sind leider noch nicht sehr gut.«
    Sein Lächeln wirkte gequält. Er griff nach dem Krug, trank und drehte ihn zwischen den Händen. »Es tut mir leid. Ich hätte nie gedacht, einmal die Ursache von so viel Leid zu sein.«
    Ana hasste ihn nicht. Sie wollte es, aber sie konnte es nicht: Dabei wäre es so einfach gewesen, ihm die Schuld am Schicksal ihrer Familie zu geben, ihn zu hassen und sich irgendwann vielleicht sogar an ihm zu rächen.
    »Lass uns bitte einen Moment allein«, sagte sie.
    Daneel wirkte überrascht, nickte dann aber und verließ das Zelt. Ana drehte den Kopf. Jonan stand hinter ihr, die Hände auf seine Schwerter gelegt.
    »Was denkst du?«
    »Seine Geschichte ist eine Lüge«, sagte er, »aber ich glaube nicht, dass Ihr ihn fürchten müsst. Er hätte uns töten oder ausliefern können, wenn er es gewollt hätte.«
    Das war die gleiche Schlussfolgerung, zu der sie auch gekommen war. »Hol ihn bitte herein.«
    Jonan schob den Zelteingang zurück und winkte Daneel zu sich. »Ich habe beschlossen, dir zu glauben«, sagte Ana, als er vor sie trat. »Und ich habe beschlossen, dir Gelegenheit zu geben, deine Schande von dir zu nehmen.«
    »Wie das?« Misstrauen leuchtete kurz und hell wie Funkenflug in seinen Augen.
    Sie ignorierte die Frage. »Du wirst uns erlauben, mit deiner Truppe zu reisen. Du wirst dafür sorgen, dass wir die Straßensperre unbehelligt passieren können, und uns sicher bis Westfall geleiten. Siehst du dich dazu in der Lage, diese Dinge zu tun?«
    Er lächelte und verneigte sich. »Betrachtet sie als bereits geschehen. Es wird mir eine Ehre sein, Euch in dieser schwierigen Lage mit meinen bescheidenen Mitteln weiterzuhelfen. Sobald die Vorstellung vorüber ist, wird meine Truppe ihre neuen Mitreisenden kennen lernen. Ihr müsst Euch nicht darum sorgen, erkannt zu werden. Ich glaube nicht, dass einer von ihnen je in Somerstorm war.«
    Es klang fast so, als habe er ihren Vorschlag erwartet. Ana stand auf. »Dann ist es gut.« Sie ließ beide Männer stehen, zog die Kapuze über den Kopf und verließ das Zelt.
    Draußen schloss Jonan zu ihr auf. »Es wäre gut, wenn Ihr solche Entscheidungen mit mir besprechen würdet, Mefrouw«, sagte er.
    »Wieso? Hältst du meinen Vorschlag für falsch?«
    Sein Zögern verriet ihr die Antwort bereits, bevor er sie gab. »Nein.«
    »Dann gibt es doch nichts zu besprechen.« Sie blieb stehen, als sie die Menschen bemerkte, die zu einem eingezäunten Platz strömten. Einige Stühle waren dort aufgestellt worden. Soldaten saßen darauf. Sie hielten Bierkrüge in der Hand und unterhielten sich. Hinter ihnen begann die Menge einen Halbkreis zu bilden. Niemand wagte es, sich vor sie zu

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