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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ist das Gold von Pujambur. Kriege wurden wegen ihm geführt und durch ihn beendet. Das Leben eines jeden Pujambi wird vom Wein regiert, ob er ihn nun anbaut oder trinkt. Jedes Gespräch dreht sich darum, jede Ehe wird wegen ihm geschlossen, jedes Verbrechen wegen ihm begangen. Fragte man einen Pujambi, was er eher aufgeben würde, den Wein oder das Leben, so fiele ihm die Antwort wohl schwer.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
     
    Im Morgengrauen ließen sie die Straßensperre hinter sich. Daneel scherzte mit dem Kommandanten, während die Gaukler mit ihren Karren langsam an ihm vorbeizogen. Ana und Jonan saßen zwischen zwei Jongleuren auf dem Kutschbock eines vierspännigen Ochsenkarren, die Gesichter abgewandt, die Köpfe gesenkt. Sie hatten ihre Pferde für zu wenig Geld an eine Stoffhändlerin verkauft. Zwischen den Ochsen der Gaukler wären sie nur aufgefallen.
    Außer ihnen ließen die Soldaten noch einige Händler durch, dann schlossen sie die Barrikaden wieder. Das Murren und die Flüche der Zurückgebliebenen folgten ihnen bis zum nächsten Dorf.
    Die Händler hatten sich den Gauklern angeschlossen, bildeten gemeinsam mit ihnen eine Karawane, die über die breiter werdenden Straßen zog. »Wir leben in unsicheren Zeiten«, hatte einer von ihnen gesagt, »da hält man besser zusammen.«
    Die Berge wurden zu Hügeln, die Weiden und Felder zu Weinbergen. Bauern mit Gesichtern dunkel und hart wie Leder saßen am Straßenrand und verkauften Wein aus Fässern. Quälend langsam zogen die Karren an ihnen vorbei. Hin und wieder sprangen Gaukler von den Karren, um ihr Geschäft hinter einem Busch zu verrichten. Sie mussten sich nicht einmal beeilen, um die Karawane wieder zu erreichen. Ana begann zu bereuen, dass sie die Pferde verkauft hatten.
    »Ich werde eine alte Frau sein, wenn wir Westfall erreichen«, sagte sie. Einer der Jongleure sah sie kurz an, widmete sich dann aber wieder der Straße. Die beiden Männer sprachen die Hochsprache der Königreiche nur bruchstückhaft.
    Jonan öffnete die Augen. Er war wohl eingeschlafen. »Es ist sicherer so«, sagte er.
    »Während wir hier sitzen, könnte Somerstorm bereits zurückerobert worden sein, hast du daran schon mal gedacht?«
    Er hob die Schultern. »Es spielt keine Rolle, wer in Somerstorm regiert. Solange man mit Straßensperren nach Euch sucht, seid Ihr in Gefahr.«
    Ana wusste, dass er Recht hatte. Die Streitkräfte Westfalls konnten noch nicht bis Somerstorm vorgedrungen sein, alle näher liegenden Fürstentümer waren ihr wahrscheinlich nicht freundlich gesinnt. Sie stützte ihr Kinn auf die Fäuste und starrte auf die Rücken der Ochsen. Die Welt, in der sie sich einst bewegt hatte, war ein kleiner Ort gewesen, verbunden durch das Netzwerk der Spione, das ihr Vater unterhielt. Beinahe täglich waren Männer oder Frauen in der Festung erschienen und hatten von den neuesten Ereignissen berichtet: wer geboren worden war, wer gestorben war, wer im Sterben lag und wer wen beerben würde. Sie hatte geglaubt, sich in der Welt auszukennen, doch nun, auf dem Kutschbock eines Ochsenkarrens, jenseits des Hofklatsches und der Intrigen erschien ihr das Land auf einmal gewaltig und fremd.
    Ich weiß nichts, dachte Ana. Sie wäre beinahe zusammengezuckt, als der Jongleur neben ihr seine Hand auf ihre Schulter legte. »Warum Gesicht traurig?«, fragte er mit einem Akzent, der so weich war, dass die Worte ineinanderzufließen schienen. »Tag schön. Warm. Bauch voll. Gut. Ja?«
    Er lächelte. Er hatte ein rundes Gesicht und freundliche Augen. Seine dünnen blonden Haare rahmten eine Halbglatze ein.
    »Ich bin nicht traurig«, sagte Ana, »nur nachdenklich.« Sie sah ihm an, dass er sie nicht verstand. »Nicht traurig«, wiederholte sie langsam. »Denke an viel.«
    Er nickte, dann zeigte er auf Jonan und Ana. »Daneel auch hier. Warum?«
    Jonan winkelte die Arme an. »Arbeit«, sagte er.
    »Ah.« Der Jongleur nickte erneut. Er sah Ana an. »Und du? Arbeit?«
    »Ja.« Sie nickte. Der zweite Jongleur, dessen rundes Gesicht von einem Bart bedeckt wurde, sagte etwas und grinste.
    Ana schüttelte hastig den Kopf. »Nein, nicht die Arbeit. Andere Arbeit.« Beide Männer sahen sie erwartungsvoll an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte drei Sprachen gelernt, beherrschte Lesen und Schreiben, konnte reiten und mit Falken jagen, aber nichts davon hatte an diesem Ort eine Bedeutung.
    »Kochen«, sagte Jonan

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