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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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plötzlich.
    Ana nickte und lächelte. »Schälen.«
    »Ah. Gut.« Die Antwort schien beide zufrieden zu stellen. Sie wandten sich wieder den Ochsen zu. Jonan schloss die Augen und lehnte sich zurück gegen die Kisten, die sich auf dem Karren stapelten. Man hatte sie mit Seilen festgezurrt, aber sie knarrten und rutschten bei jedem Schlagloch. Ana fragte sich, ob es auf dem Karren wirklich so viel sicherer war als auf einem Pferd.
    Sie stand auf und kletterte an dem Jongleur vorbei. Hinter ihr setzte sich Jonan auf.
    »Schlaf ruhig weiter«, sagte sie. »Ich vertrete mir ein wenig die Beine.«
    »Wie Ihr wünscht.« Er nannte sie nicht mehr Mefrouw, seit sie sich den Gauklern angeschlossen hatten, wahrscheinlich aus Vorsicht. Vielleicht hat er sich aber auch mit mir abgefunden, dachte Ana. Sie lächelte unwillkürlich bei dem Gedanken.
    Sie stützte sich an der Seitenlehne des Kutschbocks ab und sprang auf die Straße. Der Wind trocknete ihren verschwitzten Rücken. Es war warm, aber sie wagte es nicht, ihren Umhang auszuziehen und ihr Gesicht der Karawane zu enthüllen. Wer konnte schon sagen, woher die Händler stammten, die mit ihnen reisten.
    Ana sah an der langen Reihe der Karren entlang. Es waren über zwanzig, die hintereinander herfuhren. Die meisten gehörten den Gauklern, nur eine Handvoll wurden von Händlern gelenkt. Der Karren, auf dem sie und Jonan fuhren, befand sich in der Mitte der Karawane. Die Fahrer wechselten sich ab, sodass jeder einmal den Staub des anderen schlucken musste.
    Die meisten Gaukler gingen ebenso wie Ana neben den Karren her. Einige ritten auf Eseln, einer sogar auf einer Kuh. Es war der Dichter, der am Vorabend sein Gedicht vorgetragen hatte. Er las in einigen Schriften, schien sich nicht darum zu kümmern, wohin die Kuh ihn trug. Seine langen weißen Haare trug er in einem Dutzend Zöpfen geflochten, sein Bart war rot gefärbt.
    Ana schloss zu ihm auf. »Darf ich fragen, was du liest?«
    Er sah zu ihr herab. Er wirkte nicht so alt, wie sie gedacht hatte. Seine Haut zeigte nur wenige Falten, seine grauen Augen waren klar und wach.
    »Bist du in der Kunst des Verstehens geübt?«, fragte er. Seine Stimme war dunkel. Er betonte jedes Wort, als säße er auf einer Bühne, nicht auf einer Kuh.
    »Ich habe lesen und schreiben gelernt«, sagte Ana.
    »Dann ist es gut.« Der Dichter reichte ihr das Pergament. Es war voller Linien und Haken. Kleine Bilder umgaben sie wie ein Rahmen. Ana erkannte Häuser, Schiffe, kindlich gezeichnete Gesichter und Bäume. Sie runzelte die Stirn. »Es tut mir leid, das kann ich nicht lesen. Welche Sprache ist das?«
    Der Dichter zog ihr das Pergament aus der Hand. »Meine eigene«, sagte er. Stolz hob er den Kopf. »Ich habe sie erfunden, damit nicht vergessen wird, was kein anderer niederschreibt. Ich könnte sie dich lehren, wenn es dir beliebt.«
    »Das würde mir belieben, sollte sich die Gelegenheit ergeben.« Es war die unverbindlichste Floskel, die Ana einfiel, aber der Dichter lächelte breit, so als habe sie voller Enthusiasmus zugestimmt.
    »Mein Name ist Qaru«, sagte er. »Wie darf ich dich nennen?«
    Ana öffnete den Mund, zögerte dann jedoch. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, welchen Namen sie annehmen sollte.
    »Peera«, sagte sie, bevor Qaru auf ihr Zögern aufmerksam werden konnte. Es war der erste Name, der ihr einfiel, der Name ihrer Schwester, die nur wenige Stunden gelebt hatte.
    »Peera.« Der Dichter nickte. »Es wird mir eine Ehre sein, dich zu lehren.«
    Sein Blick kehrte zurück zu der Schrift in seinen Händen. Ana ließ ihn in Ruhe. Sie hatte seit langer Zeit nicht mehr an ihre Schwester gedacht. Sie fragte sich, weshalb sie Peera jetzt auf einmal vermisste.
    Vor ihr geriet die Karawane ins Stocken. Nach und nach blieben die Ochsenkarren stehen. Menschen standen von den Kutschböcken auf und versuchten zu erkennen, weshalb sie aufgehalten wurden.
    Ana sah Daneel. Er ritt ihr von der Spitze der Karawane auf einem Esel entgegen. An jedem Karren hielt er an und sprach kurz mit den Fahrern.
    »Was ist los?«, fragte Ana, als er an ihr vorbeireiten wollte. Daneel zügelte den Esel. Auf seinem Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck.
    »Nichts«, sagte er. »Wir ändern nur unseren Reiseplan ein wenig. An der Kreuzung nehmen wir die linke Abzweigung nach Vujana.«
    Qaru sah von seinem Pergament auf. »Vujana? Was gibt es dort für uns?«
    Daneel zögerte, dann hob er die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es ist nur ein Name auf

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