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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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mitteilen, dass wir hier sind, bevor sie uns entdecken. In diesen kleinen Orten begegnet man Fremden nicht immer mit Gastfreundschaft. Ein paar Scherze zur rechten Zeit können da Wunder wirken.«
    Er drehte sich zu den Gauklern um. »Ich bin bald zurück«, rief er.
    »Bring Wein mit!«, rief eine rundliche Frau neben dem Feuer zurück. »Und Brot. Und wenn du einen netten jungen Witwer mit eigenem Weinberg findest, kannst du den auch mitbringen.«
    Die anderen lachten. Daneel winkte ab. »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
    Er verschwand aus dem Feuerschein. Ana zog einen brennenden Ast aus dem Feuer und ging zu Jonan. Er hatte den ganzen Nachmittag geschlafen.
    »Hat Daneel dir gesagt, weshalb wir diesen Umweg nehmen?«, fragte Ana, während sie eine der Fackeln anzündete. Hinter ihr unterhielten sich Gaukler und Händler. Sie hörte unterschiedliche Sprachen, verstand jedoch nur eine. Jemand hatte ein Fass Bier gestiftet. Krüge und Lederbecher kreisten. Es schien niemanden zu stören, dass sie den Weg zum Großen Fluss verlassen hatten.
    »Nein, er hat nichts gesagt.« Jonan nahm ihr den Ast aus der Hand und ging zur nächsten Fackel, »aber ich habe ihn auch nicht gefragt. Er ist ein Mann, dem das Lügen so leicht wie das Atmen fällt.«
    »Aber sie alle vertrauen ihm.«
    »Das heißt nicht, dass wir es sollten. Wenn es Euch beliebt, bleiben wir nur so lange in der Karawane, bis wir eine bessere Möglichkeit gefunden haben.«
    Ana nickte. »Es beliebt mir.« Sie sah zu der Gruppe am Feuer. »Ich habe dem Dichter gesagt, mein Name sei Peera. So solltest du mich anreden, als Peera, nicht als deine Herrin.«
    »Peera.« Jonan wiederholte den Namen. »Das werde ich.«
    Er zündete die letzte Fackel an und trat zurück. Der Weg wurde von ihnen erhellt. Niemand konnte sich ihnen nähern, ohne entdeckt zu werden.
    »Da ist noch etwas«, sagte er dann. »Ich wurde gefragt, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen. Ich wollte Euch – dir nicht mit einer Antwort zuvorkommen.«
    »Oh.« Ana wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, aber es war vom Feuerschein abgewandt und lag in den Schatten. Seine Haut war zu dunkel, als dass sie Geschwister hätten sein können. Es kam für sie nicht in Frage, als seine Sklavin zu reisen, und etwas in ihr sträubte sich, ihn als ihren Diener auszugeben.
    »Vielleicht …«, begann sie, unterbrach sich dann aber, als sie Daneel zwischen den Fackeln auftauchen sah. »Daneel ist zurück«, sagte sie stattdessen. Sie fragte sich, warum ihr die Antwort auf diese Frage so schwerfiel.
    »Ich werde dir meine Entscheidung am Morgen mitteilen«, fügte sie hinzu.
    Jonan neigte den Kopf. Ana glaubte sein unausgesprochenes Mefrouw zu hören.
    Daneel ging wortlos an ihr vorbei und trat ans Lagerfeuer. »Wir sind hier nicht willkommen«, rief er. »Wir müssen gehen.«
    »Was?«
    »Wieso?«
    »Können wir nicht wenigstens bis morgen bleiben?«
    Daneel wehrte die Fragen mit erhobenen Händen ab. »Es ist die Entscheidung des Dorfes. Wir müssen sie respektieren. Packt eure Sachen.«
    Die meisten widersprachen nicht. Nur zwei Händler begannen auf Daneel einzureden. Er sprach eine Weile mit ihnen, dann klopfte er ihnen auf die Schultern. Die Männer begannen die Ochsen einzuspannen.
    »Noch ein seltsames Ereignis«, sagte Ana. »Sollte das Dorf nicht froh über die Abwechslung sein?«
    Jonan löschte eine Fackel. »Wir kennen diese Leute nicht. Wer weiß schon, wie sie ihr Leben führen.«
    Es dauerte nicht lange, bis das Lager abgebaut war und die Karren von der Wiese auf den Weg fuhren. Daneel ritt auf seinem Esel voran, die anderen folgten. Niemand sagte etwas. Ana setzte sich neben Jonan und die Jongleure auf den Kutschbock.
    Langsam rollten die Karren in das dunkle Dorf. Holzhäuser lagen auf beiden Seiten. Ein gemauerter Brunnen stand mitten auf dem Weg. Die Karren umfuhren ihn. Ihre Räder knirschten, zermahlten Staub und kleine Steine.
    Die Tür eines Hauses stand offen, gab den Blick auf Schwärze frei. Die Karren rollten an der Taverne vorbei. Die Tür war geschlossen. Es war still. Licht drang durch zwei Fenster nach draußen, fiel in Rechtecken auf den Weg. Ana sah die Silhouetten dahinter, reglose dunkle Schemen, die sie durch blinde Scheiben anstarrten.
    Ana zog ihren Umhang enger zusammen. Ihr war kalt.
    Die Karren ließen das Dorf hinter sich.

 
    Kapitel 15
     
    Zwei Dinge wird der Reisende in Westfall im Überfluss vorfinden: Weizen

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