Sturm
und Uniformen. In Friedenszeiten sieht man Soldaten neben Bauern auf den Feldern arbeiten, in Kriegszeiten schafft die größte Armee der vier Königreiche Gefangene heran, die diese Aufgabe für sie übernehmen und dafür Sorge tragen, dass die Kornkammern der Provinz stets gefüllt sind. So wie Holz das Feuer eines Schmiedes füttert, so füttert der Weizen die Armee. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Weizen im Volksmund als »Schwertkorn« bezeichnet wird.
Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
»Hast du nach dem Schneider geschickt?«, fragte Craymorus. Er stand mit nacktem Oberkörper vor der Waschschüssel und rieb sich mit einem Handtuch ab.
»Er ist unterwegs, Herr.« Oso stand neben der Tür. Er wirkte verunsichert. Auf den Armen trug er einige Kleidungsstücke. »Fürstin Syrah hat mir diese Sachen für Euch mitgegeben, damit Ihr bereit seid, wenn der König Euch zu sprechen wünscht.«
»Leg sie auf den Stuhl.« Craymorus wischte sich das Gesicht ab. Der König wollte sich nach der Reise ausruhen, bevor er zum Gespräch bat, aber allein der Umstand, dass er außer der Fürstin auch Craymorus hinzugebeten hatte, verriet bereits, worum es sich drehen würde. Sein Mund wurde trocken, wenn er daran dachte, dass ein König sich für etwas interessierte, was er wusste.
Er lehnte die Krücken an den Tisch und zog sich das frische Hemd über. Es roch nach Rosen und Minze.
Oso nahm die Schüssel, trug sie zum Fenster und schüttete das Wasser aus. Dann füllte er sie mit frischem Wasser aus einer Karaffe auf. »Möchtet Ihr jetzt etwas zu Euch nehmen, Herr?«, fragte er mit einem Blick auf das Tablett, das er hereingetragen hatte. Dunkles Brot, Datteln, Schinken und Schweineschmalz lagen darauf. Craymorus schüttelte den Kopf. »Nein, aber nimm dir ruhig, so viel du möchtest.«
»Danke, Herr.«
Craymorus war zu nervös, um etwas zu essen. Er zog sich zu den Kartentischen zurück und begann die Routen zu betrachten, die für die Flucht der Fürstentochter in Frage kamen. Er hatte bereits einige strategisch interessante Orte ausgemacht, zu denen er Suchtrupps schicken wollte. Wenn sie tatsächlich nach Westfall unterwegs war, wie Rickard zu glauben schien, würde er sie finden.
»Herr?«, fragte Oso und schluckte ein Stück Brot herunter. »Darf ich Euch eine Frage stellen?«
»Natürlich.« Craymorus war froh über die Unterbrechung.
»Diese Soldaten …«
»Die Ewige Garde?«
»Ja, Herr.« Oso griff nach einer Handvoll Datteln. »Wieso haben die keine Zähne?«
»Niemand weiß es.« Craymorus dachte an all die Gerüchte, die er darüber gehört hatte. »Manche sagen, sie lassen sie sich ziehen, um die Hingabe an ihren Herrn zu beweisen, andere glauben, dass ihnen nie Zähne gewachsen sind und dass sie auf diese Weise einander erkennen und neue Rekruten finden. Und dann gibt es die, die glauben, dass es wegen der Dämonen ist.«
»Dämonen?«, fragte Oso. Er spuckte Dattelkerne in seine Hand und warf sie aus dem Fenster.
»Es gibt Dämonen«, sagte Craymorus, »die in der Luft leben. Sie sind sehr selten. Wenn ein Magier sie einatmet, krallen sie sich an den Zähnen fest und warten, bis er Worte der Macht spricht. Sie ergreifen sie, bevor sie seine Lippen verlassen können, zerreißen und drehen sie, bis sich ihre Bedeutung umdreht oder sich ihre Macht gegen den Zaubernden richtet. Ohne Zähne können sie sich nicht festhalten, und sie werden einfach heruntergeschluckt, um nie wieder aufzutauchen.«
Oso kicherte. »Aber sie tauchen doch irgendwann wieder auf, wenn sie hinten …« Er unterbrach sich. Seine Ohren wurden rot. »Verzeiht, Herr.«
Craymorus ging nicht darauf ein. »Wenn das wirklich der Grund sein sollte, würde das bedeuten, dass sie nicht nur Soldaten, sondern auch Magier sind, Magier mit solch mächtigen Zaubern, dass sie ihr Leben lieber auf diese Weise verbringen, als das Risiko eines Dämons einzugehen. Oder vielleicht waren sie einmal mächtig wie alle anderen auch und befolgen das Ritual immer noch, obwohl es sinnlos geworden ist.« Er machte eine Pause. Oso wirkte gelangweilt. »Nun, das sind die Geschichten, die man sich über die Ewige Garde erzählt.«
»Danke, Herr. Ich glaube nicht, dass ich gern bei der Ewigen Garde wäre.«
»Das ist kein Leben, das du dir erwählst. Dieses Leben erwählt dich.« Es war ein Zitat, an dessen Verfasser sich Craymorus nicht mehr erinnern konnte. Sein Blick kehrte zurück zu den Karten
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