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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Fürstenschlafzimmer war ein großer, rechteckiger Raum mit zwei Kaminen und winzigen Fenstern, die sich auf die Berge richteten. Schwarzklaue hatte fast alle Möbel entfernt, nur das Bett und einen Tisch hatte er übrig gelassen. Gerit fragte sich, ob er das Bett überhaupt hätte entfernen können, denn es nahm die gesamte rechte Wand ein.
    Schwarzklaue und Korvellan saßen auf Teppichen, die von den Wänden gerissen worden waren. Gerits Blick fiel auf nackte Mädchen, die auf Pferden saßen, auf Soldaten in schwerer Rüstung, die keine Hosen trugen und vor den Mädchen stolzierten. Andere Teppiche zeigten Liebesspiele zwischen Männern und Frauen, mal allein, mal zu mehreren. Gerit wurde warm. Er wandte den Blick ab.
    »Stell die Krüge auf den Tisch«, sagte Korvellan. Eine Karte lag auf seinen Beinen, eine mit Kreide beschriebene Schiefertafel neben ihm. Er hatte Zahlen darauf geschrieben, wahrscheinlich Truppenstärken.
    »Ja.« Es fiel Gerit immer noch schwer, keine Titel anzuhängen, wenn er mit Korvellan sprach. Ein Herr oder Minherr erschien ihm angemessen, aber die Nachtschatten benutzten keine Titel. Alle sprachen sich als Ebenbürtige an, obwohl sie in einer strikten Hierarchie zu leben schienen. Gerit verstand nicht genau, warum das so war.
    Er stellte die Krüge ab. Schwarzklaue starrte ihn an.
    »Wo sind die anderen beiden?«, fragte der Nachtschatten.
    »In der Küche. Ich habe ihnen befohlen, etwas zu essen und sich auszuruhen.« Gerit ließ es wie eine Bestrafung klingen.
    Schwarzklaue schüttelte den Kopf. »Ein Mensch befiehlt einem Nachtschatten. Gefällt dir das etwa, Mortamer?«
    »Mir gefällt es«, sagte Korvellan mit einem Lächeln, das der Frage ihre Spitze nahm, »dass die Diener jetzt anklopfen, bevor sie meine Unterkunft betreten. Wieso sollte es mich stören, dass sie das von einem Menschen gelernt haben?« Er ließ Schwarzklaue nicht zu Wort kommen. »Wir können noch viel mehr von diesem Menschen hier lernen.«
    Er drehte die Karte herum, sodass Gerit sie lesen konnte. Somerstorm war darauf eingezeichnet und ein Teil von Braekor. Eine zweite Karte lag halb verdeckt darunter. Sie stellte die südöstliche Seite des Großen Flusses dar. Korvellan schob die Karten zusammen, bis nur noch die obere zu sehen war.
    »Sag mir, Gerit«, fuhr er dann fort, »hast du Somerstorm durchquert? Bist du zur Jagd geritten und zum Jahrmarkt nach Braekor?«
    »Ja, beides.«
    Schwarzklaue spannte sich sichtlich an. Er wirkte wie ein Raubtier kurz vor dem Sprung. »Was tust du da? Hast du den Verstand verloren?«
    Korvellan sah ihn kurz an. »Ich nutze all das Wissen, das uns zur Verfügung steht.« Er wandte sich wieder Gerit zu. Mit einer Klaue zeigte er auf den Pass zwischen Somerstorm und Braekor. »Wie lange braucht ein Reiter vom Pass bis zur Festung?«
    »Ungefähr zwei Tage, wenn das Wetter hält.« Gerit wagte es nicht, Schwarzklaue anzusehen. Er roch dessen Wut wie eine essigsaure Wolke.
    »Und ein Ochsenkarren?«, fragte Korvellan.
    »Sechs Tage, vielleicht sieben, wenn die Wege verschlammt sind.«
    »Und es gibt nur diesen einen Pass?«
    »Nein.« Gerit hockte sich auf den Teppich und zog die Karte heran. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Korvellan und Schwarzklaue sich einen schnellen Blick zuwarfen.
    Gerits Finger fand einen Spalt zwischen zwei Bergen. Er befand sich südlich des großen Passes.
    »Hier«, sagte er. »Auf der Karte sieht es so aus, als würde der Weg auf unserer Seite der Berge enden, aber er geht bis nach Braekor. Ochsenkarren können ihn nicht benutzen, er ist zu steil und zu schwierig, aber zu Fuß kann man ihn im Sommer nehmen.«
    »Und zu Pferde?«, fragte Korvellan.
    »Wenn der Reiter geschickt ist.«
    »Wissen viele von diesem Pass?«
    Gerit schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. General Norhan wollte nicht, dass er auf Karten verzeichnet wird.«
    »Norhan war ein weiser Mann.« Korvellan lachte leise. »Ein letzter Ausweg, sollte einmal alles verloren sein.«
    »Und trotzdem ist er tot«, sagte Schwarzklaue. »So weise war er wohl doch nicht.«
    »Das ist wahr.« Korvellan sah Gerit an. Er lachte nicht mehr, wirkte plötzlich ernst, fast schon feindselig.
    Was ist denn jetzt los?, fragte sich Gerit. Er hielt dem Blick stand, starrte zurück in die braunen Augen des Nachtschattens. Seine Handflächen begannen zu schwitzen. Sein Mund war trocken. Er spürte den Drang, sich zu räuspern, wagte es aber nicht.
    »Norhan war dein Lehrer«, sagte Korvellan

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