Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
Turm aus keine Gesichter erkennen.
    »Wie viele von ihnen kenne ich?«, murmelte sie leise und lehnte sich vor. »Von wie vielen habe ich schon den Segen erhalten?«
    »Euer Gnaden, tretet bitte vom Fenster zurück«, warnte die Dame Kinna. »Sie dürfen Euch nicht erkennen.«
    »Die Entfernung ist zu groß, sie werden schon nichts sehen.«
    »Und wenn sie Magie anwenden?«
    »Diese Macht besitzen sie nicht. Peness könnte so etwas, aber von den Klerikern Byoras kommt keiner an seine Kunstfertigkeit heran.«
    Während weitere Soldaten hereinströmten, sagte eine leise Stimme in Natais Kopf, dass sie Angst haben sollte, dass es so viele waren, dass ihre Soldaten sie nicht würden abwehren können. Aber das Gefühl blieb aus.
    »Seht«, rief Kinna und wies hinab. »Matersestraße!«
    Natai folgte dem Fingerzeig Kinnas und sah die Vorboten der Flut eine der Hauptstraßen entlangströmen, über die linke Seite des Anwesens. Die Soldaten, die noch auf der Straße standen, ließen alle Disziplin fahren und rannten wasserspritzend vor der Flut davon. Einer stürzte und musste sich selbst wieder aufrappeln, weil ihm keiner seiner Kameraden dabei half. In weniger als einer Minute, so wusste Natai, würde die Sturzflut die Straßen zu beiden Seiten des Anwesens entlangdonnern, die vier langen Straßen von Acht Türme entlang, die so gebaut waren, dass sie den Hauptteil der Flut ableiteten. Kiyer würde dennoch ihre Opfer
einfordern, aber die Verluste wären durch den Umbau der Stadt, der ihr freies Geleit erlaubte, geringer.
    Unten wurde den Soldaten die Nachricht mitgeteilt und der Rest zwängte sich ins Innere des Anwesens, in den Schutz der Mauern. Respektvoll hielten sie von den Priestern, die in der Mitte des Hofes standen und auf den Haupteingang des Turms blickten, Abstand. Sie konnte nicht sehen, was sie betrachteten, bis eine Gestalt auf sie zuschlurfte. Sergeant Kayel taumelte ein wenig. Er hielt etwas in der Hand. Einen Knüppel? Nein, eine Tonflasche.
    Die Dame Kinna schnappte nach Luft. Er hat wirklich keine Angst vor den Priestern , erkannte sie. Weder Angst noch Respekt.
    Es dauerte eine Weile, bis sich Kayel der Blicke bewusst wurde, dann drehte er sich herum und rannte wieder auf den Eingang zu. Sie wusste, dass sie ihm folgen würden, und als er aus ihrem Sichtfeld verschwand, drehte sich Natai mit trockener Kehle und pochendem Herzen zur Tür um. Sie beachtete die drängende Stimme Kinnas hinter sich gar nicht, sondern stellte sich vor, wie die Decke über ihnen einstürzte, ihre welken Knochen wie Zweige zerbrach und ihre Schreie verstummen ließ – wie die der Lämmer im Schlachthaus. Sie taumelte unter der Last der Erinnerung an Ganas, der langsam, so schrecklich langsam fiel. Aber sie konnte sich fangen und trieb sich voran – über den Flur und die kurzen Treppen hinab bis zur Empore, von der aus sie auf ihren verwaisten Thron blicken konnte.
    Sie hörte das Stampfen von Stiefeln auf den Treppen unter sich, aber sie ging trotzdem weiter. Die Ebenen zwischen ihnen waren die größten, mit Dutzenden von Zimmern auf jeder. Sie würden sie nicht erreichen, bevor das Dach einstürzte und sie zurückeilten, nur um ihre Anführer tot vorzufinden. Die Dame Kinna folgte ihr auf dem Fuße, als die Herzogin von Byora durch die verlassenen Gänge rannte, bis zu Erwillens Treppenabsatz,
der von einem ihrer Vorfahren aus falscher Frömmigkeit wegen des Schreins für den Hohen Jäger, eines Aspekts Vellerns, so genannt worden war, den der hier errichtet hatte. Da hatte er Bogenschützen postiert, damit sie mögliche Meuchler abschossen.
    Der Absatz war mit bunten Wandbildern verziert und lag unmittelbar über dem Haupteingang des Rubinturms. Hohe Fenster überblickten den Eingang und die Herzoginnenkammer. Der Schrein hing von der Decke, ein Rahmen aus gehämmertem Eisen, an dem Federn, bunte Bänder und kleine Ikonen mit Erwillens Abbild befestigt waren.
    Als sie vorbeiging, erzitterten diese Gegenstände, und sie blieb stehen, um sie zu betrachten. Die Farben waren verblichen und matt. Natai berührte leicht eine Feder … und sie zerfiel unter ihrem Finger. Sie starrte die ascheartigen Überreste in ihrer Hand einen Augenblick lang an, dann ergriff sie eine der bemalten, hölzernen Ikonen und zerdrückte sie so einfach in der Hand, als wäre sie aus Papier.
    »Du bist tot. Dieser Schrein ist ausgelaugt und leer. Und dies ist nur der erste von vielen in Byora«, versprach Natai.
    Sie blickte in die

Weitere Kostenlose Bücher