Sturmauge
Herzoginnenkammer hinab und sah nur ihren leeren Herrschersitz. Der feststehende Steinthron befand sich auf einem Podest und war breit genug, dass ein Kind neben dem Herrscher Byoras sitzen konnte. Hinter ihm hatte man einen großen Holzrahmen aufgebaut, auf dem das Wappen der Stadt aufgemalt war. Alles schien ruhig, als wäre es ein Gemälde, dann taumelte Sergeant Kayel herbei und folgte einem geschwungenen Pfad zu einer Tür hinter dem Thron. Zwei Pönitente in geschwärzten Kettenhemden folgten ihm eilig – und erreichten ihn mühelos. Einer wich einem trunkenen Hieb mit der Flasche aus, und der andere zog Kayel den Knüppel über. Mit einem Keuchen sank der große Soldat auf ein Knie.
Der Herzogin von Byora stockte der Atem, als sie unter sich
das Echo zahlreicher Schritte hörte. Sie konnte sich vorstellen, wie die Männer zurückblieben, nervös abwarteten, bis die Soldaten mit Kayel fertig geworden waren. Der metallische Geschmack von Blut breitete sich in ihrem Mund aus, und sie bemerkte, dass sie sich vor Anspannung auf die Lippe gebissen hatte. Noch bevor sie das Blut wegwischen konnte, erklang ein lautes Ächzen unter ihr, und der Boden zu ihren Füßen erbebte. Natai hielt sich am Fensterrahmen fest, während das Stöhnen und Knacken malträtierten Mauerwerks zunahm. Sie wagte einen weiteren Blick in die Kammer hinab. Die beiden Pönitenten starrten entsetzt zu ihr auf. Sogar Kayel schien wie versteinert, als die Vorkammer heftig schwankte.
Natai war starr vor Schreck. Kayel und die Soldaten befanden sich nicht allein in der Kammer. Ein Schrei kroch ihre Kehle herauf, aber die Angst trieb ihr die Luft aus der Lunge, als eine kleine Gestalt hinter dem Thron hervortapste und auf Kayel zulief. Etwas löste sich unter ihr und zersprang auf dem gekachelten Boden der Vorkammer, unmittelbar gefolgt von einem unglaublichen Krachen, das ihren ganzen Körper erzittern ließ, während die Vorkammer einstürzte.
Die Druckwelle warf Natai auf die Knie. Als sie sich wieder auf die Beine gezogen hatte und durch das Fenster sah, breitete sich eine Staubwolke in der Herzogskammer aus und durch diese sprang Kayel einen der Pönitenten an. Er trat dem Mann von hinten in die Beine und schlug ihm gegen den Hals, als er fiel. Aber der andere war schnell und schickte Kayel mit einem Knüppeltreffer zu Boden. Natai wurde bleich, als Ruhen zwischen sie tapste, doch der Pönitent setzte nicht nach.
Natai konnte das geheimnisvolle Lächeln im Gesicht des Kindes nicht sehen, aber Ruhen ging mit unsicheren Schritten, die Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, auf den Pönitenten zu und zeigte keinerlei Angst. Natai konnte den Ausdruck
des Mannes ebenfalls nicht erkennen, aber sie spürte plötzlich die Wärme von Ruhens wunderschönem Lächeln. Er bewegte sich nicht, nicht einmal, als Sergeant Kayel sich aufrappelte und sein Schwert wie ein Wurfmesser schleuderte. Die Spitze traf den Pönitenten in den Hals und fällte ihn.
Bevor der Sergeant seine Waffe auflesen konnte, wurde er von einer unsichtbaren Hand geschlagen. Er blickte verwundert drein, da traf ihn ein zweiter Hieb, der ihn mehrere Meter zurückwarf. Ruhen drehte sich um und folgte seinem Beschützer, da kamen zwei Gestalten in Sicht, die aus den Trümmern der Vorkammer hervortaumelten, Staub von ihren Roben klopften und auf wackligen Beinen auf das Kind zugingen.
Die Angst gab Natai Kraft und brachte ihr die Stimme zurück. Mit einem Schrei stürmte die Herzogin die Treppe hinunter und schüttelte ihre Hausschuhe ab. Trotzdem stürzte sie beinahe, während sie von Stufe zu Stufe sprang. Als sie den Raum erreichte, standen die beiden Priester vor Ruhen. Der Kleine blickte ohne erkennbare Angst zu ihnen auf.
Einer der Männer bemerkte sie und tat erschrocken einen Schritt rückwärts. Sie erkannte den jungen Mann, obwohl sein Gesicht wutverzerrt war. Normalerweise stand er schweigend im Tempel von Ushull im Hintergrund. Er hob die Hand, und ein seltsames Geräusch erklang, als würde etwas die Luft einsaugen. Ein wirbelnder Energiestrom bildete sich um den Magier.
Natai achtete gar nicht darauf, dass sie selbst in Gefahr war, lief auf die beiden zu und warf sich vor ihr Kind, wobei sie rief: »Ich lasse nicht zu, dass ihr ihm wehtut.«
»Dreckige Ketzerin«, spie der andere Priester aus, ein Mann mit weißen Haaren und einem runden Gesicht, der in die roten Roben Karkarns gekleidet war. Er hielt sich den rechten Arm, aber dennoch tanzten rote Funken
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