Sturmauge
Wappens auf seinem dunkelgrauen Kapuzenmantel, wirkte so, wie es der Brauch vorgab. Ein makelloses Äußeres, bis zu seinen glatt rasierten Wangen und dem gestutzten Haar, doch all der Prunk konnte die Muskeln darunter nicht verbergen.
»Sie sorgen sich ebenso wie ich über die Gefahr für unsere Sicherheit«, antwortete Lesarl.
Isak nahm seine Aussage und ihre Formlosigkeit zur Kenntnis. Der Haushofmeister hatte deutlich gemacht, dass sein Gefolge die Anweisung hatte, offen und frei zu sprechen, ohne dabei auf Ränge zu achten.
»In dieser Stadt finden an jedem Abend so viele heimliche Treffen statt, dass eines mehr doch gar nicht auffällt.«
»Ihr seid nicht eben unauffällig«, sagte das jüngste Mitglied des Gefolges, Flüsterer, die Lesarls eigenem Spionagenetzwerk vorstand. »Und Tänzer fällt in diesem Viertel auch auf.«
Tänzer lächelte breit und wies auf diejenigen, die noch weniger hierherpassten als er. Gebet war ein Priester des Nartis mit Tonsur, ein Mann Anfang fünfzig mit sauertöpfischem Ausdruck, der so weit wie möglich von der schmuckbeladenen Frau entfernt saß, die Beschwörer genannt wurde. Sie versuchte im Gegenzug vergeblich, unauffällig zu wirken. Isak vermutete, dass die Frau so etwas nicht gewöhnt war, aber die meisten Magier mochten es auch nicht, in seiner Nähe zu sein. Die ungestalteten Talente der Jugend, die brutale Kraft eines Weißauges und die gewaltige Macht zweier Kristallschädel zusammen würden jede vernünftige Person nervös machen.
»Darum haben wir eure Wege hierher im Vorfeld geplant«, sagte Isak. »Es mag meiner Stellung nicht angemessen sein, mich durch Dachkammern und Gassen von den Kalten Hallen bis hierher zu schleichen, aber was Lesarl für sicher genug hält, ist für mich nur recht und billig.«
»Diese Gnade erfährt nicht jeder«, betonte Flüsterer, und ihre Stimme wurde schärfer. »Gebet muss oberhalb der Heiligen Docks in ein Fass klettern; Beschwörers Weg dauert zwei Stunden und bedarf dazu einer langen Vorbereitungszeit. Je kurzfristiger Ihr uns herbeizitiert, umso größer ist die Gefahr, dass einer der Wege
auffliegt — und das schon ohne die Patrouillen der Geister, die hier nach Feinden Ausschau halten.«
»Vielleicht habe ich mich nicht ganz klar ausgedrückt«, sagte Isak nach kurzem Schweigen. Sogar im schwachen Kerzenlicht sah er das Funkeln ihrer Augen und erkannte, dass Flüsterer seine Warnung verstanden hatte. Für ihre Stellung war sie erstaunlich jung, kaum dreißig Sommer, und eine hübsche Frau. Im Augenblick trug sie die Kleidung eines Händlersohns, zu der aber die wallende schwarze Mähne nicht passen wollte, die ihr Gesicht in Schatten hüllte. Als sie durch das Fenster der Dachkammer gestiegen war, war es zurückgebunden gewesen. Isak vermutete, dass ihre Aufgabe so neu für sie war, dass sie sogar den anderen Mitgliedern des Gefolges gegenüber noch Misstrauen hegte. Im Gegensatz zu den anderen schien sie über ihren Aufzug nachgedacht zu haben, denn sie trug nichts Auffälliges oder Wiedererkennbares, nicht einmal ein einzelnes Schmuckstück.
»Ich wollte dieses Treffen«, fuhr er fort, »also findet es auch statt. Ich weiß, dass ihr Regeln folgt, die verbergen sollen, wer ihr seid, aber darum mache ich mir im Moment keine Sorgen.«
Es war für kurze Zeit still. Isak musterte ihre Gesichter, versuchte zu ergründen, wen er auf seine Seite ziehen musste, um die Gruppe für sich zu gewinnen. Natürlich blieb Lesarl der Anführer, aber Isak war im Wagenzug aufgewachsen und wusste darum, dass es auch unter Gleichen immer einen Ersten gab. Carel war der Kommandant der Wachen des Wagenzugs gewesen, doch Calo Denn war der Mann der Söldner. Er prägte ihre Entschlüsse und sprach wenn nötig auch für sie. Er war der eine, der ein kleines bisschen mehr als seine Gefährten bedeutete.
Also, wer ist es hier? , fragte er sich und schaffte es, nicht zusammenzuzucken, als eine Antwort in seinem Kopf erklang.
»Ist das nicht offensichtlich?« , klang es tadelnd aus einer Ecke
seines Geistes. Aryn Bwr, der letzte König der Elfen – oder zumindest das, was von seiner zerschlissenen Seele noch übrig war – hatte gesprochen. Der letzte König war, weil es ihm nicht gelang, Isaks Körper vollständig zu übernehmen und so ins Leben zurückzukehren, auf einen schwachen Abglanz seiner ehemaligen Größe beschnitten worden und fürchtete fortwährend die Strafe, die ihn im Tod erwartete.
»Für dich gewiss« , antwortete
Weitere Kostenlose Bücher