Sturmauge
ist das verdammt praktisch für den Haushofmeister, und ich würde es dem Scheißkerl zutrauen. Aber Kerx sagt, er hat das ganze Haus so schnell wie möglich durchsucht. Alle Türen waren von innen verschlossen und die Fenster im Erdgeschoss und ersten Stock sind verzaubert. Wenn Lesarl also keinen Schergen hat, der fliegen kann, weiß ich nicht, wie er das geschafft haben soll. Die Patrouillen laufen die ganze Zeit um den Tempel herum, also hätten sie jemanden mit einer Fünfzehn-Schritt-Leiter doch gewiss bemerkt.«
»Und was schließt Ihr daraus?«
Yeren seufzte. »Dass der Haushofmeister schlauer ist als Hauptmann Kerx.«
»Ein neugeborener Hase ist schlauer als Kerx«, sagte Certinse, »aber Ihr habt Recht, hier von Zufall auszugehen, das wäre dumm. Jetzt können wir nur noch entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte Yeren überrascht. Er schlug die Beine übereinander, wobei seine Lederhose zum Vorschein kam, bis er seine Pönitentenrobe zurückzupfte.
Certinse lächelte in sich hinein. Sie haben Glück, dass es Winter ist und man gerne eine Lage mehr trägt. Im Sommer müssten sie ihre Kampfkleidung wohl ablegen. »Ich meine: Ein Bürgerkrieg ist nicht
unser Ziel. Wir brauchen keine Beweise dafür, dass dies einen Konflikt schüren soll. Aber das muss nicht die einzige Auswirkung bleiben.«
»Warum nicht? Sie rennen rum wie kopflose Hühner«, sagte Yeren und machte einige Gesten. »Sie haben sich allesamt den Reformen des Obersten Kardinals gebeugt. Wenn Ihr mich fragt, dann haben die Geschehnisse in Scree Isaks Willen gebrochen …«
»Ich bezahle Euch nicht, damit Ihr denkt«, blaffte Certinse. »Und darüber bin ich auch ganz froh, denn Ihr seid offensichtlich sehr schlecht darin. Glaubt Ihr, wir befänden uns in einer derart sicheren Lage, wenn Lord Isak den Einflüsterungen des Haushofmeisters so bereitwillig nachgäbe?«
Er griff nach dem Klingelzug, um seinen Sekretär hereinzurufen, einen kleinen Mann mit fliehendem Kinn, dessen Vater ihn Kerek genannt hatte, wohl in der Hoffnung, einen großen Krieger gezeugt zu haben und nicht den ängstlichen Kleriker, zu dem er geworden war.
Der Sekretär eilte herein und sah erst Yeren kurz an, verneigte sich dann aber vor Certinse. »Ja, Euer Eminenz?«
»Bereitet einen Brief an den Obersten Kardinal Echer vor. Ich rate, dass wir uns vom unglücklichen Hohepriester Bern distanzieren und dafür sorgen, dass die Untersuchung rasch und im Stillen beendet wird. Außerdem möchte ich andeuten, dass wir mehr darüber wissen, als wir zugeben.«
»Wird ihn das nicht misstrauisch machen?«, mischte sich Yeren ein und übersah Certinses tadelnden Blick. »Sie werden herausfinden wollen, wer sich sonst noch mit Dämonen eingelassen hat. Ihr Farlan mögt Verschwörungen lieber als die Wahrheit.«
»Zuerst einmal«, antwortete Certinse mit übertriebener Geduld, »werden sie innerhalb von Tods Kult nach Verschwörern
suchen, nicht außerhalb. Bern hätte seine Ketzerei wohl kaum nach draußen getragen. Zum anderen hat Echer so weit abgebaut, dass er gerade eben noch mitbekommt, wann Gebetstag ist. Jetzt, da seine Vorschläge angenommen wurden, ist der Mann so glücklich wie … nun, so glücklich, wie ein völlig verrückter Mann eben sein kann. Kerek, kennst du einen passenden Ausdruck?«
»Ekstatisch vielleicht, Herr?«
Certinse nickte. »Das spielt zumindest auf die Raserei an. Wie dem auch sei, Echer ist damit zufrieden, weitere Vorgaben zu erfinden, die er den Farlan auferlegen kann. Zum Glück für das Volk der Farlan schickt er sie mir, weil er mich als seine rechte Hand betrachtet, damit ich mich dazu äußere – und ich beschäftige einige begabte, wenn auch fragwürdige Theologen, die gerne dabei helfen, den Text zu schleifen.«
»Also lasst Ihr ihn den ganzen Tag mit ihnen diskutieren, während Ihr den Kult anführt?«
Certinse nickte. »Für einen Soldaten seid Ihr gar nicht so dumm.«
Yeren schaffte es, auf diese Provokation nicht hereinzufallen. »Das wird nicht lange funktionieren.«
»Ich weiß. Kerek, hast du deine Freundin Ardela in letzter Zeit getroffen?«
»Das habe ich, Euer Eminenz«, antwortete Kerek mit einer Verbeugung, die sein Lächeln aber nicht verbergen konnte.
»Du solltest ihr schreiben, sie darum bitten, ihre Fähigkeiten der Überzeugung einzusetzen. Und danach solltest du vielleicht bei ihr vorbeischauen, um sicherzustellen, dass es ihr gutgeht. Es muss eine sehr schwere Zeit
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