Sturmauge
und Isak versuchte seine Kleidung zu ordnen, denn sein Hemd hatte sich im Schlaf verdreht. »Es ist besser, wenn ich betrunken bin. Wie
dem auch sei, die meisten Männer wären froh, dabei schlafen zu dürfen.«
Isak gab auf. »Ich beschwere mich ja gar nicht. Ich sage nur, ich sollte doch in Ruhe trinken dürfen, wenn ich es wünsche. Dann fühle ich mich besser, und es bringt ja auch keinen um – was offen gesagt mehr ist, als man über alles andere sagen kann, das ich als Lord der Farlan getan habe.«
Er suchte nach dem Weinkrug, aus dem er getrunken hatte und fand ihn neben dem Bett. Es war genug übrig, um den Mund damit auszuspülen und so den Großteil des bitteren Geschmacks loszuwerden, den seine Träume hinterlassen hatten. »Wenn du wissen willst, was mit dem Land geschehen musste, damit eine Geweihte der Dame verrückt werden und einen Obersten Kardinal ermorden kann … Nun, ich verrate es dir: Ich bin es selbst, der … geschehen ist. Ich bin der Fels in der Brandung der Geschichte, der Ursprung all des Scheußlichen, das hier passiert.«
Xeliath schüttelte den Kopf, wobei die Bänder wie Schmetterlingschweife flatterten. »Der Tod der Dame, das war doch nicht deine Schuld. Auch die Wut der Götter nicht. Was du mit den Schnittern angestellt hast, konnte niemand vorhersehen … Ich glaube, dass nicht einmal Azaers Anhänger das geahnt haben, und schließlich haben sie das meiste davon geplant.«
Isak sah auf. »Warum fühle ich mich dann trotzdem schuldig?«
Zu seiner Überraschung lachte an dieser Stelle das Yeetatchen-Weißauge mit dem wilden Blick, aber nicht spöttisch, sondern mitfühlend.
»Weil du ein Mensch bist, du Dummkopf! Was die Götter – oder sonst wer – auch von dir verlangen, deine Menschlichkeit können sie dir nicht nehmen. Die Götter haben dich so geschaffen und wer etwas anderes behauptet, wird sich vor mir rechtfertigen müssen.«
»Es ist nicht wichtig, dass deine Bestimmung möglicherweise nicht erfüllt werden kann«, fügte sie eindringlich und mit zunehmendem Yeetatchen-Akzent hinzu. »Oder bereits erfüllt ist. Daran sind andere schuld, nicht du. Sie haben deine Träume mit Prophezeiungen und Schicksal angefüllt. Sie gaben dir Macht und haben dabei vergessen, dass ein Weißauge trotz allem ein Mensch ist, wie mächtig er als Waffe auch sein mag.«
»Da bin ich nun also – ein Erlöser ohne Anliegen, der seinen Träumen vom Tod nicht einmal im Suff entgehen kann?« Es klang klagender und aufgeblasener, als er vorgehabt hatte, aber Xeliaths Gesichtsausdruck wurde dennoch ernst.
»Wie oft?«
»Die Träume?« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Nicht oft. Selten genug, um mich zu erschrecken, wenn sie kommen. Nicht so selten, dass ich mich noch auf den Schlaf freuen könnte.«
»Hast du den Hund erneut gesehen?«
»Nein, und darüber bin ich auch froh.« Er verzog das Gesicht und rieb es mit den Händen. Der Ring, den er trug, blieb mit einem Kribbeln an der Wange hängen. Er war aus Silber, zeigte sein Drachenwappen und war ein Ersatz für den Ring, den er in Narkang Kommandant Brandts Sohn geschenkt hatte. »Wie spät ist es?«, fragte er, während er sich die Stiefel anzog.
»Kurz nach dem fünften Schlag«, antwortete Xeliath und reichte ihm den gesunden Arm, als er fertig war. Er ergriff ihn, und sie zog sich hoch, damit sie den dunklen Kreis in der Mitte des Raumes gemeinsam beteten konnten. »Gerne gehe ich des Nachts durch den Palast, wenn mich nicht so viele Leute anstarren können.«
»Du gehst allein durch den Palast?«
»Wenn ich Lust dazu habe. Ich genieße Mihns Gesellschaft, und manchmal begleiten mich die Dame Tila oder Graf Vesna, aber ich lasse nicht zu, dass man mich bemuttert.«
»Bist du sicher? Mir wäre es lieber, wenn dir jemand den Rücken freihielte.«
»So langsam bin ich nicht – da braucht es schon mehr als einen grimmigen Soldaten«, sagte sie und fuhr grinsend fort: »Und ich habe im Gegensatz zu dir keine Träume vom Tod.«
Bevor Isak antworten konnte, zuckte ihre verdrehte Hand, und der Flügelsturm umfing sie geisterhaft und beinahe lautlos, verhinderte aber trotzdem jede Unterhaltung, bis er sich legte. Isak blinzelte, damit sich seine Augen an die Dunkelheit des unteren Raumes gewöhnen könnten.
Der Raum war eiskalt, und das einzige Licht stammte von den leicht leuchtenden magischen Sigeln und Zaubern, die auf die Wand geschrieben waren. Es gab zwei unterschiedliche Zauber. Einer hielt den hohen und
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