Sturmauge
sein Ohr.
»Mein liebenswertes Lächeln?«, brachte Lesarl krächzend hervor.
»Das ist nicht genug«, sagte Mihn und unterstrich seine Aussage, indem er den kleineren Mann wie eine Ratte schüttelte. »Der Dämon und ich, wir hatten ein kurzes Gespräch, bevor er mit Malichs Tagebuch verschwand.«
»Jetzt sagt nicht, dass Ihr hinter diesem Tagebuch her wart?«
»Keine Spielchen mehr«, ermahnte Mihn ruhig.
»Nun gut«, zwängte Lesarl hervor. »Seht Euch die morgendlichen Berichte an.«
Mihn drehte sich mit Lesarl, so dass sie beide die Papierstapel auf dem Tisch sehen konnten. Es stand tatsächlich etwas Wichtiges darin. Er ließ Lesarl los und schob ihn von sich.
Der Haushofmeister hustete und rieb sich die Kehle, während Mihn zum Tisch trat. »Hohepriester Bern hatte das Original«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Und bis zu Screes Fall war das auch kein Problem. Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht, dass es ein Problem werden könnte, dem Hohepriester Tods die Schriften eines Nekromanten anzuvertrauen.«
Mihn nahm das Tagebuch auf und öffnete es, überflog einige Seiten, um sich zu vergewissern, dass es die Übersetzung war, die Lord Bahl in Auftrag gegeben hatte. Er schloss es wieder und band die Lederriemen zu. »Lasst Euch Euren Brei schmecken«, sagte er geringschätzig und wandte sich zum Gehen.
Lesarl sah ihm nach, bis Mihn außer Sicht war. »Hat der Koch ihn schon wieder versalzen?«, rief er, erhielt aber keine Antwort.
Kardinal Certinse sah nicht einmal auf, als die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgestoßen wurde. Es gab nur einen Mann, der unangekündigt hereingestürmt käme, und es würde mehr als eines strengen Blicks bedürfen, um den Mann einzuschüchtern, den man einst Hauptmann Yeren genannt hatte. Der Bastard mit der Augenklappe hatte einen Ruf, der sich mit Graf Vesnas messen konnte, und er nutzte jede Gelegenheit, um den Kardinal daran zu erinnern, dass der ihm verliehene Titel nur eine Formsache gewesen war.
»Hochpönitent Yeren. Darf ich annehmen, dass Ihr eine theologische Frage habt, die Ihr unbedingt sofort besprechen müsst?«
»Ja, so was in der Art«, antwortete der breitschultrige Söldner und ließ sich in einen der Stühle vor dem Schreibtisch fallen.
»Bitte, setzt Euch doch«, murmelte Certinse, die Augen noch immer auf den Bericht vor sich gerichtet, um auch die letzten Zeilen zu lesen. Er widerstand dem Verlangen, die Seiten anzuheben, trotz des Drucks hinter seinen Augen, der auftrat, wenn er trotz Müdigkeit zu viel las. Vor einem Schläger wie Yeren sollte man besser keine Schwäche zeigen, auch wenn er in den eigenen Diensten stand.
Endlich hatte er zu Ende gelesen und legte den Bericht beiseite, um den Soldaten dann über aneinandergelegte Fingerspitzen hinweg anzusehen. Yeren war in seinem Alter, aber damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Yeren war ein untersetzter Mann aus Canar Thrit und hatte mehr weiße Haare als Certinse, und zudem eine Menge Narben. Er hatte sich dem Vernehmen nach bereits in jungen Jahren von der Armee freigekauft, bevor man ihn wegen Korruption vor ein Kriegsgericht stellen konnte, allerdings erst nachdem er im Kampf ein Auge verloren hatte. Er verbrachte die nächsten zehn Jahre als Carastar, Mitglied einer von Vanach geduldeten Räuberbande, die an der Grenze zu Canar Thrit patrouillierte. Ihre Aufgabe war es, die Leute umzustimmen , die vor den religiösen Geboten fliehen wollten, und so den Grenzkonflikt am Leben zu halten, ohne ihn jedoch zu einem offenen Krieg werden zu lassen.
»Habt Ihr Neuigkeiten für mich?«
»Jawohl«, sagte Yeren mit finsterer Miene. »Am Heiligen Dock gibt es eine Riesenschweinerei – das verdammte Ding hat ein Loch in die Wand von Berns Palast gerissen. Der ganze Krähenschwarm rennt händeringend rum und schiebt sich gegenseitig die Schuld zu.«
Certinse überging die Krähenandeutung, auch wenn die schwarz berobten Priester des Todes sie wohl nicht geschätzt hätten,
und verkniff sich die Frage, welchen schmeichelhaften Namen die Söldner für die Priester des Nartis hatten. »Konntet Ihr mit Eurem Freund sprechen?«
Yeren kannte natürlich die meisten Söldner, die von beiden Kulten angeheuert worden waren. Sie alle hatten in Tor Milist zusammen gedient.
Er nickte. »Nichts zu sehen, nur eine Wache, die behauptet, dass man sie nachts umgehauen hat.«
»Und, stimmt das?«
»Wohl kaum, er wäre nicht der Erste, den man wegen Saufens im Dienst auspeitscht. Trotzdem
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