Sturmauge
schlanken Turm auch während der Winterstürme aufrecht und der andere trug Leute nach oben.
Dermeness Chirialt, ein Magier aus der Akademie der Magie, hatte sich Isaks magischer Ausbildung freudig angenommen, obwohl er sich besonders auf die Fertigung von Rüstungen verstand. Der Preis für seine Hilfe war Isaks Unterstützung bei seinen Untersuchungen. Die erste Aufgabe, die er dem jungen Lord gestellt hatte, ging dahin, diese Runen zu übersetzen und die Silben durch seinen Geist fließen zu lassen, bis er ein Verständnis für ihre Form und ihre Macht entwickelte.
Er strich im Vorbeigehen darüber, erinnerte sich an diese Lektionen und fragte Xeliath: »Wo möchtest du hingehen?«
»Gehen?«, fragte sie, während sie durch die Tür zur Großen Halle humpelte. »Heute Nacht will ich reiten.«
»Der Boden ist wieder gefroren. Es ist zu gefährlich.«
Sie trat um ihn herum und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. »Gefährlich? Ich will dir mal was sagen: Weißt du, wie oft ich mich nach dem Tod gesehnt habe, vor dem du dich so versteckst? Monate, in denen ich im Bett lag und mich
nicht bewegen konnte, und dann, als mir das endlich gelang, musste ich erkennen, dass ich dennoch ans Bett gefesselt blieb, weil sie dachten, ich sei eine Prophetin!« Je wütender sie wurde, umso deutlicher war auch ihr Akzent.
»Der Schmerz, der Verlust meiner Schönheit und meiner Stärke! Stell dir vor, dein Schicksal wäre mit einem anderen verknüpft, wie die Leine eines Hundes, so verdreht wie dein versehrter Körper. Gefährlich? Du hast Scree mit nur einer Leibwache betreten – war das etwa nicht gefährlich? Ich werde niemals mehr gut reiten können, aber ich werde reiten. Ich riskiere lieber den Tod, als mich von weißen Gesichtern anstarren zu lassen.«
Sie wandte sich wieder der Großen Halle zu und murmelte: »Dies ist die einzige Entscheidung, die ich selbst treffen kann. Alles andere wird von einem Erlöser entschieden, der sich nicht einmal selbst retten kann.«
Isak sah ihr nach und wagte es nicht zu antworten. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, um nichts zu sagen, und so war die nächste Stimme, die durch den Flur hallte, Xeliaths Aufforderung an einen Diener, ihr ein Pferd zu bringen.
»Verdammte Weißaugen, was?«, sagte jemand neben Isak. Er drehte sich herum und sah Carel ein paar Stufen weiter oben auf der breiten Steintreppe stehen, die zu den Gemächern des Hofstaates führte. Sein früherer Mentor trug einen langen grünen Mantel mit weißem Kragen, der zu seiner Stellung als ehemalige Palastwache passte. Sein linker Ärmel war hochgesteckt, seine rechte Hand hielt einen Spazierstock mit Silberknauf. Carel gab vor, dass sein Gleichgewicht beeinträchtigt sei, seit Isak ihm auf dem Schlachtfeld den linken Arm hatte amputieren müssen. Aber der Herzog von Tirah glaubte ihm nicht recht.
Tila hatte seine Vermutung bestätigt, dass nur Männer, die ein Schwert trugen, zu einem Duell herausgefordert werden konnten, und so hatte Carel seinen Säbel Arugin an Oberst Jachen
weitergegeben und war damit der Form nach ein im Ruhestand befindlicher Getreuer Lord Isaks. Das alles lief darauf hinaus, dass er so grob zu Adligen sein konnte, wie er wollte. Jede Art von Satisfaktion aufgrund einer Beleidigung müsste dann von Lord Isak gefordert werden. Natürlich würde, wenn Isak seinen Freund richtig einschätzte, jeder unerlaubte Angriff auf Carel dazu führen, dass das frühere Mitglied einer Elite-Wachmannschaft einen Hebel an seinem Gehstock lösen und plötzlich ein Gleichgewicht an den Tag legen würde, wie es nur vierzig Jahre Schwertmeisterschaft mit sich brachten.
»Erinnert dich das an irgendwas, alter Mann?«
»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete Carel fröhlich. »Du warst viel schlimmer.«
»Warst?«, fragte Isak verdrossen. »Du hast sie gehört. Jetzt bin ich ein Erlöser, der sich nicht einmal selbst retten kann. Im Augenblick erscheint mir das etwas Schlimmeres zu sein als ein störrisches Kind.«
»Das würde ein störrisches Kind behaupten, aber ich weiß, mit wem von beiden ich lieber eine Pfeife im Mondlicht rauchen möchte.« Carel wies zur Großen Halle, und sie gingen nebeneinander hinein. Die Dienerin, die nun das Feuer anfachte, sah noch immer erschrocken drein – das waren die Nachwehen von Xeliaths Passage. Sie schwelgte noch eine Weile in der Panik, bevor sie sich daran erinnerte, vor Isak zu knicksen. Gleichzeitig standen drei Waldläufer, die an einem Tisch
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