Sturmauge
ist kein Dummkopf, und bisher haben sie Euch doch nie fehlgeleitet, oder?«
»Als ich ihn das letzte Mal fragte, sagte der alte Stinker, er habe mir nichts mehr zu sagen«, bemerkte Isak und lachte bitter über den Gedanken, dass es nichts mehr gäbe, das er noch lernen müsste. »Er hat nur etwas wiederholt, das er früher schon einmal
gesagt hatte: Wenn Angst dir die Zügel führt, reitest du direkt zu den Elfenbeintoren. – Aber ich vermute, dass ich es mir beim ersten Mal nicht gemerkt hatte. Ich dachte nicht, dass es auch auf ein Weißauge zutrifft. Aber jetzt … aber jetzt erkenne ich, dass dies die Antwort ist, nach der ich suchte, die Antwort, in deren Richtung du mich seit Wochen führen willst.«
»Was für Neuigkeiten habt Ihr erfahren?«, fragte Mihn leise und behielt dabei die Kardinalskutschen im Auge. Sie hatten in der Mitte des Platzes angehalten. Die Kardinäle wollten natürlich ihre Truppen begutachten und zeigen, dass sie es mit Isaks Genehmigung nicht allzu eilig hatten.
»Lord Styrax kommt schneller voran, als wir geahnt haben. Er hat Tor Salan erobert und wird die Tore der Runden Stadt bald erreichen, vielleicht schon in wenigen Tagen. Ich habe jahrelang – jahrelang – von Lord Bahls Tod geträumt. Und noch bevor ich sein Erwählter wurde, bin ich stets mit der Gewissheit erwacht, dass der gleiche Mann auch mich eines Tages töten wird. Jener Mann, der hierher auf dem Weg ist.«
»Das hat nichts zu bedeuten«, wandte Mihn ein. »Egal, ob die Träume wahr sind oder nicht, die Runde Stadt ist von Tirah weit entfernt. Ihr müsst nur den Befehl geben, und Tor Milist untersteht Eurer Herrschaft, und das verschafft uns ein meilenweit offenes Gelände, auf dem wir unseren Vorteil nutzen können: die Kavallerie. Lord Styrax mag ein hervorragender Krieger sein, aber allein kann er keine Schlacht gewinnen – und die Farlan-Reiterei ist die beste im ganzen Land.«
»Das stimmt, ist es da nicht erstaunlich, dass ich einen Teil meiner Armee hinter ihm herschicke? Das könnte ich nur verhindern, wenn ich einen Bürgerkrieg in Kauf nehmen wollte. Und wenn ich sie nicht unterstütze, verliere ich einen wichtigen Beistand.«
Mihn wirkte verwirrt. »Was wollt Ihr damit sagen?«
Isak zog unter seinem Wams eine Pergamentrolle hervor. »Dies ist die Sonderverlautbarung Sieben, einer von Lesarls vorbereiteten Notfallplänen. Du willst wissen, wo meine Ratgeber stecken? Sie folgen meinen Befehlen. Diese Verlautbarung ruft den Kriegszustand in Farlan aus.«
»Ihr zieht nach Süden?« Mihn starrte ihn ungläubig an. »Aber warum?«
»Weil ich es ohnehin werde tun müssen, und das weißt du ganz genau, auch wenn du anderes vorgibst, mein Freund.« In Isaks Stimme lag kein Vorwurf, nur eine Gewissheit, die in Carels wettergegerbtem Gesicht besser ausgesehen hätte. »Vor einigen Wochen sagtest du, dass ich von Prophezeiungen und anderen Kräften getrieben würde, die mein Leben formten. Du hast mir geraten, sie anzunehmen und Wege um sie herum zu finden, sie für meine Zwecke zu nutzen, so wie ich auch aus dem Eiferertum der Kulte meinen Vorteil zu ziehen versucht habe. Du weißt, ich darf mich meiner Furcht nicht länger unterwerfen, und wenn ich zulasse, dass meine Träume meine Handlungen bestimmen, dann werde ich wie Lord Bahl enden – allein und getrieben. Und als der treue Gefolgsmann, der du bist, versuchst du deinen eigenen Notfallplan zu entwickeln.«
Mihn wollte Widerworte vorbringen, klappte den Mund aber wieder zu, als er den Blick in Isaks Augen sah. Der Erwählte des Nartis war nicht in der Stimmung, sich widersprechen zu lassen, vor allem, wenn er wusste, dass er Recht hatte.
»Ich ziehe darum nach Süden, weil ich denke, dass ich es tun muss. Ich habe nicht vor, Lord Styrax auf dem Feld gegenüberzutreten, sondern nur genug Zeit zu gewinnen, um nach Byora zu gelangen. Lesarls Spionin Legana – nun ja, seine ehemalige Spionin – sagte mir, dass Azaers Gefolgsleute die Herzogin von Byora im Griff haben und dass dort der nächste Teil ihres Planes umgesetzt wird.«
Das Weißauge sah nach, ob die Kardinäle schon so nah waren, dass er sich um sie kümmern musste. Er sah Mihn noch einmal an und schlug sich mit der Faust auf die Brust. Mihn spürte es durch die Rune, die sie beide verband.
»Ich habe Angst, wenn ich nur daran denke. Ein enges, eisiges Band legt sich dann um mein Herz. Daran bin ich nicht gewöhnt und es versetzt mich in Schrecken, aber es sagt mir auch, dass
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