Sturmauge
Legana Recht hat. Azaer weiß, dass ich eine Gefahr darstelle. Ich bin mächtig genug, um Götter zu töten, also wird es mir ein Leichtes sein, den Schatten zu vernichten. Er hat bisher überlebt, weil er sich verbarg, aber jetzt, da er mich zum Feind hat, muss er Lord Styrax als Bedrohung nutzen, um mich abzuhalten.«
»Dann hat er die Gewaltbereitschaft der Weißaugen unterschätzt«, murmelte Mihn.
Isak schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es wohl nicht. Wir wurden zum Kampf geboren, aber auch dazu, in jeder Lage zu überleben. Was bedeutet, dass wir mit aller Macht kämpfen, aber nicht an einem Heldentod interessiert sind.« Er sprach eindringlicher. »Das weißt du, oder? Nichts von all dem ist ein Zufall. Alles wurde geplant. Meine Träume haben diese Angst vor Styrax in jede Faser meines Körpers geprägt.
Wenn ich ihm von Angesicht zu Angesicht begegne, werde ich mich wie der verängstigte kleine Junge fühlen, der ich in stets meinen Träumen war. Lord Styrax herrscht seit siebenhundert Jahren über die Menin. Er hat Koezh Vukotic in einem ehrlichen Kampf besiegt und den letzten Lord der Menin mit einem einfachen Schwert getötet! In einem offenen Kampf gegen Lord Styrax werde ich sterben, das weiß ich mit einer Gewissheit, die ich mir nicht erklären kann. Und ich brauche niemanden von deinem Geschick, um mir sagen zu lassen, was geschieht, wenn man schon vor dem ersten Schlag überzeugt ist zu verlieren.«
Mihn schwieg. Er war von Isaks Ehrlichkeit verblüfft. Sich so
zu öffnen gehörte nicht zu Isaks Charakter oder zu der kriegerischen Welt, in der er lebte. In der Ferne hustete jemand, und er bemerkte, dass sich die Kardinäle ihnen näherten. Aber er konnte seine Augen nicht von dem jungen Krieger lösen.
Isak rang sich ein Lächeln ab und klopfte Mihn auf die Schulter. Dieser knickte unter der Wucht ein, und Isak zog ihn zu sich, um ihm zuzuflüstern: »Ich glaube, ich ahne, wie dein Notfallplan aussieht. Wollen wir hoffen, dass wir ihn niemals brauchen werden. Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht.«
Mihn nickte wie betäubt. Für kurze Zeit sah er ein vollständiges Verständnis in den Augen seines Lords, und eine Schicksalsergebenheit, die ihn verunsicherte.
Dann legte sich der Schleier der Politik wieder über ihn, und als sich Isak umwandte, um den Obersten Kardinal Certinse zu begrüßen, wirkte das freundliche Lächeln in seinem Gesicht beinahe echt.
Certinse sah ausgemergelt und gehetzt aus und trug nicht die gleiche Zufriedenheit darüber zur Schau, an der Spitze eines Kreuzzuges auszureiten, wie seine Brüder im Amt.
»Euer Eminenz«, rief Isak. »Ich habe großartige Neuigkeiten.« Er hob das Pergament. »Dies ist Sonderverlautbarung Sieben.«
Der Tag verging wie im Flug, und Isak musterte das Chaos, das überall in der Stadt ausgebrochen war, mit einem matten, bitteren Lächeln. Mihn folgte seinem Lord auf dem Fuße und beobachtete ihn genau. Am Ende des Tages wusste er nicht mehr, ob diese zur Schau getragene Belustigung die Finte eines Politikers war oder – nach Mihns Meinung noch besorgniserregender – das, was Isak glaubte fühlen zu müssen und deshalb wie eine Maske trug, hinter der er die Angst und Leere verbarg, die er empfand.
Bei Sonnenuntergang waren sie wieder im Tirah-Palast, saßen in der kühlen Abendluft auf Isaks Sims und beobachteten die
Tätigkeiten auf dem Übungsplatz unter ihnen. Isak hatte Lordprotektor Torl zwei Legionen Pikeniere aus der Stadt zur Seite gestellt und ihm versprochen, dass noch weitere folgen würden. Er hatte Torl außerdem sieben schriftliche Befehle mitgegeben und ihn angewiesen, sie jedem Lordprotektor zu übergeben, dem er begegnete. Sie bewirkten, dass sieben der Lordprotektorate in der Nähe sich ihm binnen Tagen zusammen mit allen Truppen anschließen würden, die sie in so kurzer Zeit sammeln konnten. Nach Lesarls Schätzungen würden sich so etwa dreitausend Mann zu Torls Einheiten der Dunklen Mönche gesellen. Sechstausend Söldner waren bereits unter den verschiedenen Bannern der Kulte angeheuert worden.
Eine weitere Division Dunkler Mönche wartete im Lordprotektorat Saroc, was die kämpfenden Truppen auf eine Zahl von zehntausend anschwellen ließe. Je nachdem, wie lang Isak wartete, bevor er ihnen folgte, würde er fünf- bis zwanzigtausend Mann bei sich haben – und diese Zahl könnte noch bis auf das Dreifache ansteigen, sobald die Sonderverlautbarung überall bekannt wurde. Binnen weniger Wochen
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