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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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übereilten Angriff zu verleiten.«
    Legana dachte über Isaks Worte nach, dann riss sie die Augen auf. »Weil Azaer nicht allein sein wird! In Byora sind unzählige Gerüchte über Tor Salan im Umlauf. Die Menin haben die Stadt erobert und bereiten sich darauf vor, nach Norden zu marschieren. Die Runde Stadt ist so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Lord Styrax kann die einzelnen Stadtteile einen nach dem anderen einnehmen. Er wird sie auch brauchen, wenn er Raland und Embere erobern will.«
    Isak fluchte. »Sie werden die Runde Stadt lange vor uns erreichen, selbst wenn wir sofort aufbrächen. Hat der Schatten dies herbeigeführt, oder nur vorhergesehen?«
    »Auf jeden Fall könnt Ihr Azaer nicht angreifen, ohne Euch mit den Menin anzulegen.«
    Der Weißaugenlord lachte plötzlich auf, trotz seiner Jugend, die voller Weltschmerz und Bitterkeit war.
    »Und so holen mich meine alten Sünden ein. Ich befürchte, es wird nicht möglich sein, diesen Konflikt zu vermeiden – morgen früh verabschiede ich öffentlich eine Armee unter Lordprotektor Torls Kommando!« Isak sah mit ernstem Gesicht beiseite. »Auf mein Drängen hin haben die Bruderschaft der heiligen Lehre und die neuerdings so gewaltbereiten Kulte der Farlan einen Kreuzzug gegen Lord Styrax ausgerufen. Es wird keinen Preis dafür geben, dass Ihr erraten könnt, wo sich diese Heere treffen werden.«

26

    Lordprotektor Torl und seine Truppen verließen Tirah am ersten schönen Morgen des Jahres. Nach einem wochenlangen, bitteren Winter brauchten die Bürger nicht mehr als ein bisschen Sonne, um die Straßen zu füllen, auch wenn die fremden Uniformen sie in Unruhe versetzten. Mihn stand neben seinem Lord auf einer erhöhten Steinplattform auf dem Aderlassplatz am südlichen Rand der Stadt und sah den Truppen zu, die sich in der kühlen Luft des frühen Morgens versammelten.
    Erst jetzt bemerkte Mihn, wie sehr die Wochen unablässigen Regens und unzähliger Stürme an seinem Gemüt genagt hatten. Die Sonne streichelte seine Haut und ihm war, als falle eine Last von ihm ab. Der große Platz füllte sich mit Menschen, die sich aneinander und an die Häuser drängten, um den Abmarsch des Heeres mitanzusehen, und Mihn erkannte sein eigenes Lächeln in ihren Gesichtern wieder. Das Auftauchen von Tsatachs Auge hatte offenbar mehr dazu beigetragen, die Spannungen in der Stadt zu lösen als alle Bemühungen Haushofmeister Lesarls. Sogar die Häuser wirkten fröhlicher, sobald die Sonne den grauen Stein erhellte und in den Scheiben funkelte.
    »Wie lange noch?«, grollte Lord Isak. Er scharrte ungeduldig mit den Füßen und sein Blick zuckte über die Geschäftigkeit, die sich vor ihm entfaltete.

    »Nicht mehr lang, mein Lord«, sagte Mihn übertrieben fröhlich. »Versucht die Sonne zu genießen, solange sie scheint.«
    »Sehe ich vielleicht aus, als würde ich diese verdammte Sonne genießen?«
    »Nein, aber es schadet nie, es zu versuchen.«
    Das breite Lächeln Mihns ließ die Verstimmung in Isaks Gesicht nur umso deutlicher werden. Nach dem Treffen in Xeliaths Traumlandschaft hatte er nicht wieder einschlafen können, und so war er schlecht gelaunt, seit er den Turm verlassen hatte. Da Mihn Isaks aufbrausendes Gemüt kannte, war er sicher, dass die drei Palastdiener für ihre Verfehlungen an diesem Morgen doch nicht entlassen werden würden, und auch Graf Vesna würde seinen Titel nicht wegen eines Streits um einen Löffel verlieren.
    »Es schadet nie, es zu versuchen?«, knurrte Isak. »Mein Kopf fühlt sich wie ein Dachsbau an, und die Sonne macht es nicht besser.« Isak blickte an Mihn vorbei zum Rand des großen, viereckigen Podestes, von dem aus sie die zusammenströmenden Truppen beobachteten. »Ich könnte dich mit einem Schlag von diesem Ding runterwerfen, weißt du?«, fügte er hinzu.
    Mihn zuckte die Achseln und reckte sein Gesicht wieder in die Sonne. »Vielleicht. Ich bin allerdings nicht sicher, ob Ihr im Augenblick wirklich schneller wäret als ich.«
    Isak beugte sich vor, so dass sein Kopf auf einer Höhe mit dem Mihns war. »Du kommst dir wohl sehr schlau vor? Nach dem, was du letzte Nacht getan hast, muss ich dich ja gar nicht mehr treffen, oder?« Das große Weißauge steckte die rechte Hand unter das Wams und lächelte kalt. Bevor Mihn herausfinden konnte, wovon sein Lord da sprach, drückte sich Isak den Fingernagel stark genug in die Narbe auf seiner Brust, um die Haut zu ritzen, und der kleine Mann schrie auf, denn er spürte den

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