Sturmauge
Zwischenmahlzeit. An seiner Stelle wäre dies der Stoff meiner Alpträume.
»Das Essen von Bauern«, verkündete Celao tadelnd und schob die Schüssel mit Pilzsuppe von sich, die dadurch auf den Tisch
schwappte. Die Begleiter des Lords lehnten sich zurück, denn sie konnten nicht essen, was ihr Lord verschmäht hatte.
»Es würde Euch nicht schaden, einmal eine Mahlzeit aus…«, setzte Kohrad an, wurde aber von seinem Vater unterbrochen.
»Bitte benimm dich beim Essen«, sagte Lord Styrax scharf, bevor sein streitlustiger Sohn noch etwas sagen konnte. »Lord Celao, ich entschuldige mich für das Verhalten meines Sohnes und auch für das Essen. Ich bin ein Mann mit bescheidenen Ansprüchen und finde an Delikatessen wie Schwanenleberpastete oder Weißdrosselzungen keinerlei Gefallen.«
Bernstein bemerkte den Unterschied zwischen dem völlig beherrschten Styrax und seinem aufgewühlten Weißaugensohn. Lord Celao war ein schnaubender Wal, der in ein Zelt aus Tuch gehüllt war, das mit Gold durchwirkt sein mochte, und zeigte durch eine ganze Reihe von Zimperlichkeiten sein Unwohlsein deutlich. Aber wenigstens war er von der Stärke eines Gottes berührt worden. Kohrad blieb nur die Verärgerung der Jugend im Angesicht mindestens zweier Männer, die in der Hackordnung über ihm standen.
Gesh und Kiallas saßen an den Enden von Lord Celaos Tisch. Der Lord saß zwischen Adligen mit goldenem Haar und androgynen Gesichtern, die sich sehr ähnlich sahen, obwohl ihre Wappen keine Familienzusammengehörigkeit zeigten. Sie alle schienen die Ritter der Tempel oder die Herzogin Byoras gar nicht zu bemerken, sondern hatten nur Augen für ihre althergebrachten Feinde, die Menin.
Bernstein fragte sich, was Lord Styrax ihrer Meinung nach tun würde, denn sie saßen dort wie Hasen, die nur darauf warteten, dass der Hund sie bemerkte und angriff. Glaubt ihr, er sei die Wiedergeburt Deverk Grasts? Hat sich das Land in den Augen der Litse so wenig gewandelt?
»Euer Essen und Eure Gastfreundschaft sind für einen Mann
meiner Stellung nicht angemessen«, sagte Celao nach langem Schweigen.
Kohrad öffnete den Mund und seine Lippen formten stumm das Wort »angemessen«, aber da hielt ihn sein Vater bereits mit einem Blick zurück.
»Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden«, sagte ein Mann, der Lord Styrax gegenübersaß. »Ich bin zeitlebens zu viel gereist, um eine gute Suppe nicht als Freude zu betrachten.«
Alle Augen wandten sich dem Mann in der Mitte des Tisches der Geweihten zu. Mit Ausnahme des Hohepriesters Belarannars waren die Männer fast gleich gekleidet. Sie trugen Schuppenpanzer aus Schwarzeisen über rot-blauen Wamsen und rote Schärpen, auf denen das weiße Runenschwert des Ordens prangte. Der Sprecher, einen halben Kopf größer als seine Gefährten, war offensichtlich nicht von hier, und die dunklen Haare und feinen Farlan-Züge hoben ihn deutlich von den anderen ab. Er blickte freundlich drein und überging die neugierigen Blicke, während er einen Löffel Suppe schlürfte und sich dann mehr Brot nahm.
»Es freut mich, dass wir da ähnlich denken«, sagte Lord Styrax und nahm den Löffel auf, der in seiner Hand winzig und zerbrechlich wirkte. »Ich hoffe, das bleibt weiterhin so.«
»Vielleicht«, sagte der Mann ruhig. »Das hängt stark davon ab, ob Ihr Eure Drohung von gestern widerruft.« Er zeigte zum Boten Karapin hinüber, der steif an der Seite stand, flankiert von zwei Offizieren der Geweihten.
Bernstein hatte den Farlan beinahe übersehen, als die Geweihten den Palast der Gelehrten betraten – bis ihm auffiel, dass Kardinal Sourl einen Schritt hinter ihm ging, statt die Gruppe anzuführen. Als Lord Styrax das Treffen plante, hatte er nicht erwartet, dass sich Ritter-Kardinal Certinse, Oberbefehlshaber der Ritter der Tempel, auch nur in einem Umkreis von hundert Meilen aufhielte. Und doch war er nun hier und fiel schweigend über
sein Essen her, während alle anderen darauf warteten, dass Lord Celao den Anfang machte. Bernstein fragte sich, welche Auswirkungen diese unerwartete Wendung auf ihre Pläne haben würde.
»Nachricht«, piepte eine Kinderstimme. Bernstein blickte an seinem Lord vorbei Ruhen an, der neben Natai Escral saß. Der Junge saß in der Mitte, zwischen dem großen Sergeanten Kayel und der Herzogin, die wie das ungleiche Paar einer albernen Liebesgeschichte wirkten. Seltsamerweise kümmerte sich Sergeant Kayel, der hier im magielosen Tal keinerlei Ähnlichkeit mit Bernstein aufwies,
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