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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Gesichter verborgen blieben. Hätte Lord Isak nicht den direkten Befehl gegeben, so hätte er vorsichtshalber die diensthabenden Wachen alarmiert. Nun aber blieb er einfach stehen und wartete geduldig, während die Kutsche auf ihn zurumpelte. Sie hielt im letzten Moment, kurz bevor die Vorderräder die Zugbrücke berührten. Eine der beiden Gestalten sprang vom Kutschbock und kam direkt auf ihn zu, wobei er seine Kapuze zurückschlug, um ein vertrautes Gesicht zu offenbaren.
    »Holt bitte sofort Euren Wachkameraden und eine Trage«, befahl er.
    Das Weißauge kniff die Augen zusammen, als ihm der Ausländer Befehle zurief. »Ich kann das Tor nicht unbewacht lassen«, sagte er. »Und nach allem, was ich gehört habe, wurdest du aus den Diensten des Herzogs entlassen.«
    »Damit läget Ihr in beiden Fällen falsch«, antwortete Mihn. In seiner Stimme lag keine Herausforderung, aber das Weißauge richtete sich trotzdem zu voller Größe auf, denn er wollte sich nicht von einem Mann ohne Stellung, Rang oder Waffe, der noch dazu mehr als einen Kopf kleiner war als er, herumbefehlen lassen.
    »Wer ist in der Kutsche?«, fragte er barsch.
    »Hat der Lord Euch Befehle erteilt?«, fragte Mihn.
    »Ja.«
    »Dann hört auf zu streiten und bringt Lord Isaks Gast zu ihm. Dann bringt diese Dame zum Haushofmeister, damit sie die
Goldkrone erhält, die ihr versprochen wurde.« Mihn wies mit dem Daumen auf die andere Gestalt, die noch immer zusammengesunken auf dem Kutschbock saß. Bevor der Soldat etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür der Kutsche, und ein Mann lehnte sich heraus.
    »Warum werden wir aufgehalten, Soldat?«
    Das Weißauge betrachtete die beiden Männer für einen Augenblick und beschloss dann, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sei. Er trat beiseite und winkte die Kutsche hindurch. Die Kutscherin schnalzte mit der Zunge, und die Pferde setzten sich wieder in Bewegung, nämlich durch den Gang, der unter der Vorburg hindurch in den Palast von Tirah führte. Als die Kutsche sie erreichte, stellte er sich auf die Trittbretter, um sich hineintragen zu lassen, während Mihn wie eine Bergziege auf den Kutschbock sprang. Als sie den Durchgang erreichten, stieß das Weißauge einen kurzen Pfiff aus … und das Tor begann sich sofort zu schließen.
    Sie hielten nicht vor der großen Halle an, sondern fuhren auf die Rückseite des Hauptflügels weiter, wo es einen anderen Aufgang in die Räumlichkeiten der Herrschaften gab, eine Hintertür, die gewöhnlich verschlossen und bewacht war. Das Weißauge sah zu, wie Mihn und Morghien dem letzten Passagier aus der Kutsche halfen, während man darauf wartete, dass die Trage gebracht wurde. Es war offensichtlich, dass sie dabei keine Hilfe wollten, und sie achteten sorgsam darauf, dass das Gesicht der Frau im Schatten blieb. Ihre Sorgfalt half jedoch nichts, denn sobald sich das Weißauge ihr auf einige Schritt genähert hatte, verzog sich jeder Nerv in seinem Leib.
    Seine Nasenflügel bebten instinktiv, denn er suchte ihren Duft. Sie war von seiner Art, und noch mehr … Als er die Trage anhob, achtete das Weißauge peinlich genau darauf, sie nicht zu berühren. Obwohl er so stark war, zitterten seine Hände, und die
Kehle wurde ihm von der Macht, die durch ihren Körper strömte, wie zugeschnürt. Als sie die dunkle Treppe hinaufstiegen, hielt er den Blick auf die Stufen gerichtet und traute sich nicht, das von einer Kapuze verdeckte Gesicht unmittelbar vor ihm anzusehen. Während des ganzen Aufstiegs spürte er ihre Aufmerksamkeit  – und eine Drohung hing in der Luft.
    Isak war schon auf den Beinen, lang bevor sie die Tür zu seinen privaten Räumlichkeiten erreichten. Vesna und Tila standen hinter ihm und lächelten freudig, als sie Mihn neben der Bahre hergehen sahen.
    »Bringt sie in mein Schlafzimmer, und dann verschwindet«, befahl Isak und umarmte Mihn heftig.
    »Es tut gut, dich wiederzusehen, mein Freund. Aber warum die Trage? Braucht sie einen Medicus?«
    Der kleinere Mann lächelte seinen Lord an und schüttelte den Kopf. »Es geht ihr gut, sie ist nur erschöpft. Die Reise war anstrengend, aber ich wäre ungern derjenige, der ihr einen Heiler aufzwingen müsste.«
    Er wirkte dünner als bei ihrer letzten Begegnung, aber das war auch das einzige Anzeichen der langen und aufreibenden Reise, die der Harlekin gerade hinter sich gebracht hatte.
    Mihn umarmte Tila und Vesna und trat dann hinter den Soldaten in Isaks Schlafzimmer. Der junge Lord packte Morghien

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