Sturmauge
»Wollen wir hoffen, dass wir etwas Hilfreiches von ihm erfahren.«
Sie tranken ihre Becher leer und verließen die Schenke, um sich dann eine dunkle Straßenecke zu suchen, an der sie ungestört eine Stunde warteten, bis der Mann in Weiß aus der Taverne kam und durch die Nacht davonging.
Als ihn General Lahk um Erlaubnis bat, am folgenden Tag einen Zwischenhalt einzulegen, hatte Isak bereits in seiner Erinnerung nach einem abgeschiedenen Ort gekramt, an dem er sein unappetitliches Vorhaben durchführen konnte. Er kannte die Strecke gut. Hinter den Zwillingen wand sich die Straße durch Hügel und weite Ebenen von Grasland, in denen er früher plattfüßige Gänse gejagt und Fallen für Hasen ausgelegt hatte. Der Großteil des Jagdwildes würde von der herannahenden Armee vertrieben werden, aber die Landschaft hatte sich seit den Tagen, in denen er sie mit dem Wagenzug bereist hatte, nicht verändert.
Als der Befehl erging, blieb Isak im Sattel und sah zu, wie die Soldaten um ihn herum auf Lahks Wort hin in Bewegung kamen. Er zog die blaue Seidenmaske vom Kopf und erlaubte dem eisigen Wind, mit kalten Fingern über seinen geschorenen Schädel zu streichen, während er in den nahenden Abend starrte. Zahlreiche Männer belagerten auf der Suche nach Zelten, Essen und
Feuerholz die Vorratswagen. Der Anblick erinnerte Isak an eine Armee von Ameisen, die eine Gottesanbeterin töteten.
Isak hatte verwundert zur Kenntnis genommen, wie viel Gepäck die Armee begleitete. Alles in allem waren sie mehr als fünfzehntausend Mann, und der Versorgungsgeneral, ein komischer kleiner Mann mit kurzen Armen und Beinen, der auf den Namen Pelay Kervar hörte, befehligte noch weitere tausend. Damit unterstanden ihm ebenso viele wie den Obersten, die er täglich beschimpfte. Wenn die Farlan in den Krieg zogen, stand Kervar über den Obersten und Lordprotektoren, und seine Leibwache konnte sich beinahe mit der von Isak selbst messen.
Er stieg ab und kümmerte sich eine Weile um Toramin, sein Streitross, bevor er es einem Stallburschen übergab. Er versorgte sein Pferd noch immer selbst, bevor er das Lager aufschlug, aber er wusste, dass er sich diesmal aus einem anderen Grund damit beschäftigte. Er musste an jedem Abend ein Versprechen einlösen, das dafür sorgte, dass er sich schmutzig fühlte und, schlimmer noch, eines, das sich bisher noch nicht als so notwendig erwies, wie er gehofft hatte. Kommandant Jachen stand in seiner Nähe herum, einen Leinensack mit einigen Scheiten Schwarzholz auf dem Arm, die er offensichtlich nicht berühren wollte.
»Immer noch kein Zeichen von weiteren Truppen aus Lomin?«, fragte er Herzog Vesna, obwohl er wusste, dass man ihm Bericht erstatten würde, sobald sie in Sicht kamen.
»Nein, keine. Wie es scheint, waren Lordprotektor Suils Hoffnungen etwas hochgeschraubt. Die Adligen der Oststämme werden jede Entschuldigung genutzt haben, um zu Hause zu bleiben und die Eiferer abziehen zu sehen.«
In ihrer Rüstung stellten sie ein beeindruckendes Paar dar. Isak in Siulents, ganz in Silber, und Vesna in Schwarz mit dem brüllenden Löwen als Wappen in Gold. Sogar Soldaten, die an ihre Anwesenheit gewöhnt waren, warfen ihnen bewundernde Blicke
zu. Die in Siulents eingebettete Magie forderte Aufmerksamkeit ein und im schwindenden Licht verstärkte sich diese Wirkung noch. Vesna hingegen ließ sein Ruf als Held in den Ohren der erschöpften Soldaten ebenso bemerkenswert erscheinen.
Isak musste seinem Freund zustimmen. Der Herzog von Lomin war Isaks Ruf zu den Waffen nicht gefolgt, denn er glaubte dessen Versprechen nicht, dass der Osten dennoch sicher sein würde. Mehr war nicht nötig, damit sich die Lordprotektoren des Ostens herausreden konnten, um nicht an einem Kreuzzug teilzunehmen, der für sie nicht von Belang war.
»Mit ihnen hätten wir die nötige Übermacht erreichen können. Das darf nicht ungestraft bleiben«, sagte Isak, doch die Worte klangen hohl.
»Den Berichten der Hellseher zufolge haben wir trotzdem genug Männer«, versicherte ihm Vesna. »Lord Styrax hat nur ein kleines Heer mit sich gebracht. Vier Legionen Infanterie, drei Kavallerie. Wie es scheint, ist er in der Lage, Städte auch ohne großes Aufgebot zu erobern. Er hat nicht genug Zeit gehabt, um sich auf uns vorzubereiten. Ich bezweifle sogar, dass er überhaupt in unsere Richtung schaut.«
Isak warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
»Nein, vermutlich ist es nicht so einfach.« Vesna trat eilig den Rückzug an.
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