Sturmauge
Lächeln lässt die Sonne in diesem Scheißzimmer aufgehen. Sie wird grausig werden, wenn er den Mut aufbringt, sie zu heiraten, aber sie wird ihn gut behandeln. Der clevere kleine Scheißer weiß ja bestimmt, wie man sie gütig stimmt.
»Also, wie waren die Frauen in Scree so, hä?«, fragte Janna in verschwörerischem Ton und ließ sich vom Ausbleiben jeder Antwort seinerseits nicht aus dem Konzept bringen.
»Hübsch? Ich wette, sie waren alle hässlich, lauter schwarzhaarige Farlan-Bastarde, oder?«
»Frauen?«, fragte Doranei plötzlich, als erwache er aus einem Traum.
»Leck mich am Arsch, es lebt.« Janna kicherte. »Na, das ist doch mal interessant, dass du überhaupt nix mitkriegst, bis ich von Röcken rede.«
Sie tätschelte seine Wange. »Doranei, Liebling, kann es denn wirklich sein, dass du endlich damit aufhörst, mir nachzuweinen und dir eine Dame geschnappt hast, oder war es nur eine Hure, die noch besser ist als ich?«
Doranei trank einen weiteren Schluck Bier und ließ die Worte langsam in eine Reihenfolge sickern, die er verstand.
Frauen.
Nachweinen.
Dame.
Ein Bild der drei Frauen, die er in Scree am häufigsten getroffen hatte, erschien vor seinem inneren Auge: Haipar, die Gestaltwandlerin, Legana, die Farlan-Meuchlerin und natürlich Prinzessin Zhia Vukotic, Vampirin und Feindin der Götter.
»Verdammt furchterregend«, verkündete er schließlich.
Jana lachte. »Scheiße noch mal, so hässlich, was?«
Doranei dachte noch etwas länger nach. Schließlich schüttelte er vehement den Kopf. »Nicht hässlich. Wunderschön«, sagte er, nachdem er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er klammerte sich haltsuchend an den Tresen.
»Und warum soll das so fuchterregend sein, mein Liebling?«
»Zu hübsch. Zu gefährlich. Zu …« Die Worte verloren sich, als seine Aufmerksamkeit von dem Krug vor ihm angezogen wurde.
»Pisse und Dämonen, du bist bis über beide Ohren verknallt, was? Wie heißt sie denn?«
Doranei sah Janna ins Gesicht. Die gleichen wilden, braunen Locken, das gleiche runde Gesicht und das gleiche strahlende Lächeln, in dem der linke obere Schneidezahn fehlte.
Janna ist zauberhaft, warum bin ich nicht bei ihr geblieben? Sebe ist da schlauer. Er hat wohl Angst vor Jannas aufbrausender Art, aber sonst muss er nichts fürchten. Welcher Narr verliebt sich schon in eine Frau, die ihm unglaubliche Angst macht?
»Geheim.«
»Ein Geheimnis? Liebling, ich habe jeden Fingerbreit von dir aus mehr Richtungen gesehen, als ich mir jetzt wieder ins Gedächtnis rufen will. Du musst doch nichts vor mir verbergen.«
»Kann’s nicht verraten.«
Janna schnaubte enttäuscht auf. »Aber sie ist der Grund dafür, dass du hier allein säufst? Der Grund, warum du auch letzte Nacht hier warst? Leck mich am Arsch, Liebling, ich dachte, ihr hättet in der letzten Nacht zu tun gehabt?«
»Das war nicht der einzige Grund«, murmelte Doranei und presste die Lippen trotzig zusammen. Unwillkürlich strich er mit dem Finger über die kleine Narbe, die Zhia auf der Unterlippe hinterlassen hatte. Sie war seine einzige Erinnerung an sie.
»Nicht der einzige Grund«, wiederholte sie. »Na gut, mir wurde ja auch schon davon berichtet, was da passiert ist, darum glaube ich dir mal.« Sie nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher. »Ich an deiner Stelle würde Branntwein saufen, wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was ich gehört habe.«
»Ist alles wahr.« Doranei entrang ihr seinen Becher und leerte ihn. »Aber wir haben ihn verbrannt. Das kann ich nicht vergessen. Hab lange drauf gewartet. Hab den Mistkerl verbrannt.«
»Ihn verbrannt?«, flüsterte Janna. »Das ist ein bisschen allzu persönlich für dich, oder?« Sie schnappte leise nach Luft. »Beim Blut am Dunklen Ort, sprechen wir hier über den, von dem ich
glaube, dass wir über ihn sprechen? Dieser Scheißkerl mit den Narbenhänden? Du hast ihn verbrannt?«
In Doraneis Gesicht zuckte es bei ihrer Andeutung, denn er wusste ganz genau, wen sie meinte. Die Flinken Finger , das war eine Schenke der Bruderschaft, ein sicherer Rückzugsort für die Handlanger des Königs und die Verbrecher der Stadt, aus deren Reihen sie geworben wurden. Janna war nur eine Schankmaid, aber sie war recht schlau und kannte die meisten Mitglieder der Bruderschaft. Niemand außer den Männern des Königs kannte zwar die Einzelheiten, aber sie konnten doch auch nicht verbergen, dass Ilumene nicht länger einer der ihren war.
Doraneis Gesicht
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