Sturmauge
anderen drei Farlan-Herzöge würden dem Volk vorangehen, wenn es geboten war, dem neuen Lord die Treue zu schwören. Damals hatte es wie eine gute Idee geklungen, aber mittlerweile war sich Isak nicht mehr so sicher. War der Saal groß genug, um so vielen mächtigen Männern auf einmal Platz zu bieten?
Isaks Leid war, selbstverständlich, Lesarls Freud. Die mächtigsten Männer des Stammes waren in einer Stadt versammelt. Das bedeutete Handel, Allianzen, sogar Freundschaften. Der Großteil des Reichtums von Farlan befand sich in der Hand der Adligen, und die meisten von ihnen würden das Beste aus dieser seltenen Gelegenheit machen. Schon seit Wochen waren Männer und Frauen aus verschiedenen Gefolgen herumgerannt, während Lesarl wie eine gut gelaunte Spinne in der Mitte seines unglaublich verworrenen Netzes saß und der unangefochtene Meister dieses heimlichen Spiels war. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, vor Isak zu verbergen, wie sehr er das Ganze genoss.
»Mein Lord?« Tilas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
»Es geht ihnen gut genug, um schlecht gelaunt sein zu können«, sagte Isak. »Aber im Augenblick reicht mir das. Mein Vater ist endlich auf dem Weg der Besserung, das bedeutet allerdings auch, dass er wieder zu einem Mistkerl wird. Lesarl, könnt Ihr ihn anderweitig unterbringen, wenn er wieder läuft? Wenn er jeden Tag die Annehmlichkeiten des Palastes erlebt, muss er auch anerkennen, dass ich Lord der Farlan bin. Mit seinen Schmerzen kommt er zurecht, aber das ist zu viel für ihn.«
»Ich habe da schon einen Ort im Kopf, mein Lord. Einer von Lordprotektor Tebrans Pferdezuchtställen braucht einen Vorsteher. Dort wird Euer Vater sicher, aber auch aus dem Weg gebracht sein, selbst wenn er keine Leibwache akzeptieren wird.«
»Dann wollen wir hoffen, dass er nicht nur deswegen ablehnt, weil ich es ihm anbiete.«
»Erlaubt mir, dass ich mich darum kümmere, mein Lord«, sagte Lesarl lächelnd. »Ich bin sicher, dass ich ihm dabei behilflich sein kann, die richtige Entscheidung zu treffen. Ihr müsst Euch um Wichtigeres kümmern.«
»Seid Ihr bereit hierfür, Isak?«, unterbrach Tila. Jetzt war sie eher seine Freundin als eine politische Beraterin. »Wenn Ihr einige Minuten allein sein wollt, müssen die Lordprotektoren eben warten.«
Isak lächelte zuversichtlicher, als er wirklich war. »Ich bin bereit. Bringen wir es hinter uns. Ich habe den Zauber, mit dem man Geräusche unterdrückt, die ganze Woche geübt, und Lesarl wird an meiner Seite sein. Also musst du dich um nichts sorgen.«
Der herzogliche Thron war von seinem üblichen Standort in der Audienzkammer in die Große Halle gebracht worden, dem einzigen Raum, der groß genug war, um Platz für alle Lordprotektoren, Herzöge, Synodenmitglieder und Stadträte der Farlan sowie die Köpfe der Akademie der Magie zu bieten. Ohne Gefolge, Leibwachen oder Berater waren es beinahe einhundert, und man konnte zwanzig Fraktionen erkennen. Isak musste mit vielen unter vier Augen sprechen, darum hatte Dermeness Chirialt, einer der wenigen Magier, denen Isak vertraute, ihm einen einfachen Zauber beigebracht, mit dem er dies erreichen konnte.
»Und Ihr seid sicher, dass Ihr Kardinal Certinses Gefühle spüren könnt?«, hakte Lesarl nach. Der Kardinal war der Einzige des inneren Familienkreises, der noch auf freiem Fuß war – er war ein mächtiger Mann, und es gab keine direkten Hinweise auf Verrat. Aber Isak hatte eine Alternative dazu gefunden, den Mann umbringen zu lassen, auch wenn sie beide diese Alternative sehr geschmacklos fanden.
»Wenn nicht, werde ich es ihm vorspielen. Die Leute wissen
von den Kristallschädeln, und er wird nicht so dumm sein, meine Aussagen anzuzweifeln.«
»Und der Oberste Kardinal? Der zerbrechliche alte Mann stellt mich gewaltig in den Schatten, wenn es darum geht, seine Mitbürger in Angst und Schrecken zu versetzen«, sagte Lesarl gut gelaunt. »Er hat es besonders auf das Lordprotektorat Saroc abgesehen, und ich habe auch Berichte über Todesfälle in einigen anderen Lordprotektoraten erhalten.«
»Unser Angebot wird ihm eine Warnung sein. Wenn es ihm nicht gut genug ist, dann stimmen Eure Berichte offensichtlich, und er hat den Verstand verloren.«
Lesarls Netzwerk aus Spionen war fleißig gewesen und nachdem er die Hinweise gesichtet hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass die Priester, die plötzlich fanatisch und gewalttätig wurden, aus sechs Kulten stammten. Es waren die Kulte der sechs
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