Sturmauge
verhaften lassen?«
»Weil diese Beweise bedeuten, dass ich Euch im Sack habe, und sosehr ich Euch auch hasse, Eure früheren Verbrechen bedeuten doch, dass Ihr die Lösung für mein augenblickliches Problem sein könntet.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Certinse und klang nun armselig.
»Es ist ganz einfach«, grollte Isak und lehnte sich vor. Beim Anblick der sich nähernden, breiten Gestalt tauchte in Certinses Augen wieder Angst auf, aber jede Regung war im Hinblick auf die Zuschauer besser als eine erschöpfte Gleichgültigkeit, dachte Isak. »Ihr habt Dämonen angebetet und es überlebt, also seid Ihr nicht mehr an Euren Gott gebunden. Deshalb werdet Ihr von der vorherrschenden Raserei auch nicht erfasst. Es widert mich zwar an, aber ich muss mit dem arbeiten, was ich habe. Im Augenblick seid Ihr der einzige Kleriker in den Kulten Tods oder Nartis’, von dem ich sicher weiß, dass er bei Verstand ist. Darum werdet Ihr Euch selbst als Unterhändler für die Gespräche mit Haushofmeister Lesarl vorschlagen, wenn es um die neuen Glaubensregeln geht. Und ich muss diese Beleidigung hinnehmen, wenn ich nicht das Gesicht verlieren will.«
»Ihr nehmt diesen Irrsinn einfach hin?«, fragte Certinse entgeistert. »Habt Ihr dieses Dokument denn gelesen?«
»Im Augenblick muss ich die Kulte beruhigen, oder es kommt zu einem Aufstand, den ich mir jetzt nicht leisten kann – Ihr werdet leichter zu befriedigen sein als Echer, denn die Beweise, die ich besitze, bedeuten Euren Tod auf dem Scheiterhaufen, wenn jemals ein Gericht sie zu sehen bekommt.«
»Ihr könnt doch den Obersten Kardinal nicht umbringen!«
»Wer sagt denn hier etwas von Mord? Er ist ein alter Mann, der sich ausschließlich mithilfe von Magie bei Kräften hält. Ich bin sehr zuversichtlich, dass er das nicht lange aushält.«
»Und dann?«
»Und dann werdet Ihr dank Eurer wichtigen Rolle bei diesen Verhandlungen der am besten geeignete Nachfolger für die Stellung des Obersten Kardinals sein. Ihr werdet jeden Verdacht, es könne sich dabei um ein falsches Spiel handeln, zerstreuen, Ihr werdet angemessen laut über den Verfall der Moral klagen und dann gemäßigtere Regeln annehmen, die nur das Nötigste enthalten, um die Leute von Straßenkämpfen abzuhalten.«
»Ihr macht mich zum Obersten Kardinal?«, fragte Certinse ungläubig.
»Im Gegenzug dafür, dass Ihr die Kulte unter Kontrolle haltet«, mischte sich Lesarl ein. »Ihr müsst vielleicht dafür Sorge tragen, dass Jopel Bern seinen Posten verliert, aber das bekommt Ihr gewiss hin. Stellt sicher, dass in Eurem Haus Ruhe herrscht, und Ihr erhaltet alles, was Ihr Euch wünscht: die Stellung, die Ihr seit Jahrzehnten anstrebt, und ein langes Leben, um sie auch zu genießen. Entfernt Euch jetzt und erzählt ihnen, wir hätten über Distens Untersuchung gestritten.«
Isak lehnte sich zurück und musterte Certinses Gesicht, in dem sich unterschiedlichste Gefühle zeigten. Es dauerte nicht lang, dann hatte Certinse begriffen, wo er stand, schüttelte heftig den Kopf und stimmte damit zu.
Nachdem er sicher war, dass der ganze Saal seine Verärgerung bemerkt hatte, kehrte Certinse zu den andern Kardinälen zurück, um ihnen von dem Streitgespräch zu berichten, während der Rest der Synode aufmarschierte. Aus dem Augenwinkel beobachtete Isak das aufgeregte Gespräch, schaffte es jedoch, das Gesicht ausdruckslos zu halten und so die vorbeiziehenden Leute zu begrüßen.
Den meisten schenkte er wenig Aufmerksamkeit, anders jedoch verhielt es sich bei dem Corlyn, der dem pastoralen Zweig des Kultes vorstand und somit die Verwaltung der Dorfschreine und -tempel unter sich hatte. Der Mann mit den traurigen Augen zeigte keinerlei Anzeichen dafür, von der Raserei der Götter betroffen zu sein. Stattdessen wirkte der sanftmütige Mann enttäuscht. Er hatte am Verhalten des Obersten Kardinals ablesen können, dass ein Handel geschlossen worden war, und er war betroffen, weil sich Isak scheinbar so rasch Echers Forderungen gebeugt hatte.
Einige der Lordprotektoren begrüßte er so herzlich wie möglich, aber mit seinen Gedanken war er woanders. Die Verzweiflung Corlyns hatte sein Herz erstarren lassen und sorgte dafür, dass er den Handel bereute, den er würde hinnehmen müssen. Die Maßnahmen waren zweifellos so drastisch, dass sogar ein Kompromiss noch schrecklich aussehen würde. Eine Stimme in seinem Hinterkopf berichtete ihm, dass er seine Beileidswünsche für Lordprotektor Torl vermasselt
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