Sturmauge
nicht schnell genug, um die Genugtuung zu verbergen, die seine Züge erfüllte. Der Anblick von Isak, der im Tempel von Nartis unter seiner Obhut betete, war für Echer unbezahlbar. Isak konnte nur hoffen, dass dies den Mann lang genug ruhigstellen würde, damit Lesarl seine Ziele erreichte.
»Mein Lord ist seinem Alter an Weisheit weit voraus und ein ergebener Diener seines Gottes«, murmelte er. »Ich danke Nartis für seine Weisheit, Euch als Lord Bahls Nachfolger zu erwählen.«
Ihr Götter, glaubst du wirklich, dass ich geschlagen und eingeschüchtert bin? Bist du tatsächlich so verrückt?
Diese Frage brauchte sich Isak gar nicht erst selbst zu beantworten. Der Mann war völlig irrsinnig. Er hatte viele der geschehenen Gewaltakte angestachelt, und Lesarl fürchtete, dass sein
Wahn einen Bürgerkrieg entfachen könnte. Die Kulte verprassten ihr Vermögen, um immer mehr Pönitente und Novizen um sich zu scharen.
Kardinal Veck folgte auf den Obersten Kardinal, hatte aber nichts mehr hinzuzufügen und machte darum bald Platz für Kardinal Certinse, den letzten Kardinal der Synode. Certinse wirkte ausgemergelt und bleich. Er hatte seit ihrer letzten Begegnung auch an Gewicht verloren, und seine Nervosität war beinahe greifbar. Blutunterlaufene Augen wiesen auf viele schlaflose Nächte hin – was nicht verwunderte, da seine Schwester seinem Bruder und Neffen ins frische Grab gefolgt war. Sie hatte sich vergiftet, bevor sie den Dämon auf dem Irienn-Platz beschworen hatte.
Isak bereitete es jedoch keine Mühe, ein ernstes Gesicht zu machen, denn er erinnerte sich an die Verbrechen des Kardinals, die unlängst erst aufgedeckt worden waren. Als er den goldenen Ring des Kardinals berührte, streifte er dabei auch den Finger des Mannes und erweiterte seine Sinne, erspürte, was er nur vermochte. Die Berührung Nartis’ war schwach, wenig mehr als ein Nachhall … und das bestätigte, was Lesarl herausgefunden hatte.
»Seht mich an, Mann! Stellt Euch gerade hin und beweist etwas Rückgrat«, blaffte Isak. »Ich werde Euch jetzt das Leben retten.«
Der Kardinal zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden, schaffte es aber, den Kopf und den angsterfüllten Blick zu heben.
»Niemand kann uns hören, Euer Leben aber hängt davon ab, wie gut Ihr schauspielert, verstanden?«
»Ich … ja, mein Lord, ich verstehe.« In Certinses Augen zeigte sich zwar Verwunderung, doch er war nunmal ein geborener Politiker. Seine Nasenflügel bebten, als wittere er etwas.
»Gut. Jetzt müsst Ihr Euch gegen mich behaupten. Spart Euch das Fuchteln mit den Händen für später. Aber sie müssen sehen, dass wir uns streiten. Schüttelt den Kopf, wenn Ihr verstanden habt.«
Certinse zögerte nur unmerklich wegen dieser seltsamen Anweisung, um dann vehement den Kopf zu schütteln. Mit dem Hoffnungsschimmer kehrte auch wieder etwas Farbe auf seine Wangen zurück.
»Hervorragend. Ich fasse mich kurz. Die Wut der Götter erfüllt Euch nicht, und ich weiß auch, warum. Macht Euch nicht die Mühe, es abzustreiten, lasst es einfach so stehen. Ich bin sicher, dass es daran liegt, dass Nartis durch einen Dämonen-Verbündeten von Cordein Malich ersetzt wurde. Es gibt Hinweise, dass Ihr von Anfang an Teil der Malich-Verschwörung wart.«
Certinse öffnete den Mund, um zu widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. Er warf Isak einen verzweifelten Blick zu. »Was wollt Ihr von mir?«, fragte er mit leiser Stimme.
»Für den Anfang solltest du verdammt noch mal wütend wirken, nicht ängstlich, du dummer, feiger Ketzer.«
Isaks Worte hatten die ersehnte Wirkung. Certinse plusterte sich auf, sein Gesicht wurde rot vor Zorn. »Welche Beweise dieser verrückte Disten Euch auch geliefert haben mag, sie sind gefälscht«, grollte er.
Seine Aufregung zauberte ein wölfisches Grinsen auf Isaks Gesicht. Er verbarg es jedoch rasch. »Verzeiht, aber nein … sie sind echt. Ihr selbst habt kaum eine Spur hinterlassen, aber Eure Helfer waren nicht so vorsichtig – sie brauchten Geld für ihre Vorlieben. Sie plünderten die Leichen, die sie vergraben sollten – und es gibt mehr als eine Erklärung, die nur dann Bestand hat, wenn der Verstorbene mit allen Habseligkeiten auf See verschwindet.«
Das saß wie ein gut gezielter Fausthieb. Certinse schaffte es,
nicht in sich zusammenzusinken, aber Isak sah in seinen Augen, dass er geschlagen war. Er wusste, dass man ihn erwischt hatte.
»Warum bin ich dann hier? Warum habt Ihr mich nicht
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