Sturmauge
und erinnerte sich an einen Abend, den er auf dem Anwesen des Lordprotektors verbracht hatte. Dieser geile alte Bock behauptet doch, seine drei Frauen wären gestorben, weil er sie verschlissen habe.
Von Zeit zu Zeit blickte Isak auf, um Vesna einen leidenden
Blick zuzuwerfen. Lesarl hatte deutlich gemacht, dass Vesna sich fernhalten solle, solange keine unmittelbare Gefahr für Isaks Leben drohe – und es war sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kam. Isak wirkte seit der Gestaltwerdung der Schnitter auf dem Irienn-Platz so angespannt, dass er wohl schon jede Gefahr in Stücke gehackt haben würde, bevor Vesna überhaupt sein Schwert herausbekäme.
»Das erinnert mich an einen der Hunde meines Vaters«, sagte Vesna leise zu Mihn, der zu ihm getreten war. Er zeigte auf die Männer um Isak herum.
Mihn blinzelte und musterte die Szenerie. Er trug wie immer Schwarz, ein maßgeschneidertes Wams aus Baumwolle, das sich nirgendwo verfangen oder flattern würde, wenn er kämpfte. Seit seiner Rückkehr zum Palast hatte er jedoch wenig mehr getan, als durch die kalten Gänge zu geistern und die Angebote der Wachleute nicht zu beachten, die mit ihm ringen wollten.
»Der Hund hatte Welpen geworfen«, fuhr Vesna fort, »von denen einer viel kleiner war als die anderen vier. Der Rest bedrängte ihn fortwährend, aber mein Vater erlaubte mir nicht, sie zu trennen. Er sollte seinen eigenen Weg finden. Sie würden ihn nicht töten, also musste er lernen, sich durchzusetzen.«
»Nun, ich bin recht zuversichtlich, dass Lord Isak mit dem auf dem Stuhl fertig würde.«
Vesna lachte, bis ihn tadelnde Blicke zum Schweigen brachten. »Gnädiger Nartis, ich glaube, das war das erste Mal, dass du einen Scherz gemacht hast. Morghien hat wohl stärker auf dich abgefärbt, als ich geahnt habe.«
Mihn zuckte bloß mit den Schultern. Vesna blickte ihn einen Augenblick lang an, gab dann aber auf. »Immer noch maulfaul, hm?«
Sie sahen Haushofmeister Lesarl bei seinem Rundgang durch die verschiedenen Gruppen zu. Gelegentlich ging er bei Isak vorbei
und flüsterte ihm etwas zu, dann war er wieder unterwegs, blieb nie lang beim gleichen Gast und gab denen, die er überfiel, auch nie die Zeit zu einer richtigen Antwort.
»Zuschlagen und zurückziehen, zuschlagen und zurückziehen – so machen es die Farlan«, sagte Mihn.
Vesna runzelte die Stirn. »Ich schätze schon. Sollten wir es etwa anders machen?«
Mihn wechselte den Stab mit der Stahlspitze in die andere Hand und behielt Isak weiterhin im Blick. »Es ist eine gute Taktik, solange man weiß, wo der Feind steht. In Scree seid ihr jedoch ausmanövriert worden. Dort hat der Feind zugeschlagen und sich dann zurückgezogen – so erscheint es zumindest. Der Haushofmeister hatte bisher wenig Erfolg, ihn aufzuspüren.«
»Also müssen wir eine neue Taktik erlernen?«
»Möglicherweise«, sagte Mihn. »Aber ich bin kein General und gebe gar nicht erst vor, mich damit auszukennen.« Er zögerte, und Vesna spürte seine Unsicherheit. »Ich … in letzter Zeit habe ich nur noch Fragen, keine Antworten.«
»Was für Fragen denn?« Er konnte es Mihn nachfühlen, doch brauchte er das nicht auszusprechen, denn er wusste ja, dass der Mann dies bereits erkannt hatte. Tila hatte dem berühmten Schwerenöter ein neues Leben aufgezeigt: echtes Glück statt flüchtiger Freuden. Er war nun fast vierzig Sommer alt, und die blauen Flecken heilten heutzutage nicht mehr so schnell. Aber da er mehr als sein halbes Leben auf einem Pfad gegangen war, fiel es ihm schwer, nun einen anderen in Erwägung zu ziehen.
Wieder zögerte Mihn, bevor er sagte: »Die wichtigste Frage ist die, wie ich meinem Lord von Nutzen sein kann. Ich werde meinen Schwur nie wieder brechen. Ich werde keine Klingenwaffe benutzen, selbst wenn das meinen Tod bedeutete, aber ich weiß, dass dies meine Nützlichkeit einschränkt.«
»Ich denke, du hilfst ihm durch deine Anwesenheit. Es beruhigt
ihn, dich in der Nähe zu wissen. Du hast gesehen, wie schwer ihm dies alles hier fällt.« Vesna deutete auf die Lordprotektoren, von denen die meisten beim neuen Lord der Farlan um Gunst buhlen wollten. »Und wer kann es ihm verdenken? Auf diesem Jungen lastet mehr Druck, als jeder König ertragen könnte.«
»Ich weiß. Ich befürchte allerdings, es fordert bereits Tribut.«
»Seine Träume?«
Mihn nickte erneut. »Er spricht mit mir nicht darüber, aber ich sehe es in seinen Augen …« Er schwieg kurz. »Es sind nicht die Träume
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