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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Bereich dazwischen stand ein halbes Dutzend Häuser, in denen die weltlichen Teile eines jeden Tempelkomplexes untergebracht waren, vorrangig Schlafsäle, Ställe und Arbeitszimmer.
    Legana wusste, dass die meisten der Schlafsäle, die eigentlich Novizen zugeteilt wurden, nun Pönitente beherbergten: die – wie es schien – von den Priestern bevorzugte Miliz. Oder die Frömmigkeit der Söldner trieb sie her, je nachdem, wie man es sehen wollte. Novizen waren in der Regel jung und banden sich für eine bestimmte Anzahl von Jahren an den Tempel, während Pönitente meist deutlich älter waren. Pönitente mussten auch keinen Schwur vor dem Altar ablegen, sondern bekamen einfach eine Robe und ein Hautbild auf dem Zeigefinger. Bevor sie die vereinbarte Zeit als Pönitent abgeleistet hatten, waren sie nur lose mit dem Tempel verbunden. Die Erfahrung zeigte, dass sich viele Männer an die strengen Regeln des Tempellebens nicht gewöhnen konnten.
    Sie duckte sich durch das niedrige Tor, wobei sie ihre Kapuze mit einer Hand festhielt, damit diese ihr rotes Haar weiterhin verdeckte, und blieb schlagartig stehen. Ein seltsames Gefühl, das sie nie zuvor gespürt hatte, kroch ihr eisig über den Rücken. Wie ein feiner Geruch im Wind hing etwas Unerwartetes über dem Komplex. Sie drehte sich langsam nach links, Alterrs Kammer zu, einer Halbkuppel mit vierzig Schritt Durchmesser und glatten, grellweißen Wänden, die im Mondlicht leicht leuchteten.
    Die Tür war verschlossen, und zwei Pönitente wachten davor. Sie sah sich im Hof um. Es gab keine weiteren, offensichtlichen Wachen, aber andere Männer lungerten hier herum. Legana dachte nach. Sie hatte zwar keine Erfahrung mit Magie, aber etwas sagte ihr doch, dass es sich hier nicht um einen einfachen Zauberspruch handelte. Sie konnte ungestaltete Energie in ihren
Adern spüren, was Teil ihrer Göttlichkeit war. Aber jetzt spürte sie etwas, das sie sogar noch tiefer anrührte.
    »Was geht da drinnen vor sich?«, fragte sie sich laut. Ohne es wirklich zu wollen, ging sie einige Schritte auf die Kammer zu. Die Pönitente nahmen Haltung an und griffen nach den Speeren, die im Schatten neben der Kammertür standen. Sie waren so groß wie Legana selbst und sahen beide so aus, als hätten sie einiges zu büßen. Aber sie glaubte trotzdem, dass sie ihnen sogar als Sterbliche schon überlegen gewesen wäre. Männer unterschätzten ein hübsches Gesicht immer.
    »Der Tempel ist für eine private Andacht geschlossen«, rief eine der Wachen.
    Legana hörte ihn kaum, denn das merkwürdige Prickeln auf ihrer Haut war zu eindringlich. Das Gefühl wurde nicht stärker, während sie sich der Kammer näherte, und als sie mit einem Mal erkannte, dass es gar nicht von dem Gebäude ausging, blieb sie ruckartig stehen.
    »Das ist interessant«, murmelte sie vor sich hin. Der Anblick der Kammer hatte etwas in ihr angeschlagen, das nun wie eine Saite schwang.
    »Was?«, fragte die Wache und trat einen Schritt näher. Der Mann hielt seinen Speer bereit.
    »Könnte es Glück sein?«, fragte sie sich und beachtete den Pönitenten gar nicht. Langsam breitete sich die Erkenntnis in ihrem Geist aus.
    Der Pönitent sah seinen Kameraden an. »Verstehst du, was sie sagt?«
    »Nein. Klingt wie Farlan. Sie sieht auch aus wie eine Farlan.«
    Legana sah die beiden Männer einen Augenblick nachdenklich an, dann erkannte sie, dass sie gar nicht die Worte verstanden hatte, die aus ihren Mündern kamen, sondern nur deren Bedeutung. Vermutlich noch so eine weitere göttliche Gabe. Sie dachte
einen Augenblick nach und dann floss ihr der örtliche Dialekt leicht von der Zunge.
    »Tretet zurück und seid still. Im Tempel geschieht etwas Böses.« Ich wurde von der Göttin des Glücks berührt, da kann ich wohl davon ausgehen, dass ich von jetzt an immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin.
    Der erste Pönitent öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als Legana blitzschnell ihre Schwertspitze dagegen drückte. Seinem Kameraden entrang sich ein leises Krächzen, aber mehr ließ ihre Überraschung nicht zu. Sie wussten, dass keine gewöhnliche Frau sich so schnell bewegen konnte.
    »Ich muss sofort in diesen Tempel hinein, also tretet beiseite«, wiederholte sie sanft. »Und haltet euch verdammt noch mal fern von mir, oder ich stopfe euch eure Eier in den Hals.«
    Die Pönitenten sprangen wie an Schnüren zurückgezogen beiseite. Legana senkte das Schwert und nickte zur

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