Sturmauge
ihren Blick, bis er bemerkte, dass auch Fernal ihn eindringlich beobachtete. Die Neugier des Halbgottes
war schwerer zu ertragen, denn sein Blick brannte auf der Haut.
»Ich habe dich in Begleitung deines Herrn beobachtet. Du bleibst nah bei ihm, so nah wie ein Schatten …«
Fernal unterbrach sie, indem er die Hand hob. »Sei vorsichtig, wie du ihn nennst«, warnte er knurrend. »Denn ein Name gibt einer Sache erst Gestalt, ebenso, wie er von der Gestalt bestimmt wird.«
»Wenn man einen Mann als Vetter Azaers bezeichnet, öffnet man ihn damit seinem Einfluss? Eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme«, stimmte sie zu. »Wir wissen nichts über die Kräfte des Schattens, aber wenn ich deine natürliche Begabung verstärken soll, dann sollten wir dich besser nicht als einen Schatten betrachten.«
»Aber du weißt, was zu tun ist?« Mihn wehrte sich gegen die Aufregung, die in seinem Herzen aufstieg.
Ehla nickte. »Ich muss gut darüber nachdenken und mich vorbereiten, aber ich habe eine Idee. Die Magie einer Hexe fußt nicht auf Macht, sondern auf Verständnis, auf der Arbeit mit dem, was bereits vorhanden ist. Du bist deinem Verhalten nach ein ruhiger, bedachter Mann, den man leicht übersieht, und begabt genug, um unbemerkt vorbeizuhuschen. Ich kann es vielleicht schaffen, einen heimlichen Mann zu einem geisterhaften zu machen, dich über die Grenzen zu erheben, die du bereits mit der Ausbildung in der Kindheit erreicht hast.«
»Wie wollt Ihr dies tun? Etwas verzaubern? Oder einen Zauberspruch sprechen?«
»Bei einer Verzauberung müsstest du ein Zeichen dafür tragen, es müsste beispielsweise in deine Kleidung gestickt werden, während du sie trägst, damit sie ein Teil von dir wird.« Nun endlich zeigte die Hexe einen Anflug von Gefühl. »Die Anrufung eines Gottes vielleicht? Cerdin, Gott der Diebe? Nartis? Der
Nachtjäger wäre bei einem solchen Vorhaben ein mächtiger Verbündeter.«
»Keine Götter«, sagte Mihn nachdrücklich. »Wenn die Magie ein Teil meiner selbst werden soll, soll sie aber bitte nicht mit etwas verbunden sein, das mächtiger ist als ich.«
»Keine Anrufung also«, sagte sie nickend und starrte gedankenverloren in die Flammen des Feuers. »Nichts, das so einfach wäre. Ein Zauber, der mit deiner Seele verwoben werden muss, damit er stark genug für die Dinge ist, die Lord Isak von dir verlangen wird.«
»Das ist auch gefährlich«, führte Fernal an. »Die Auswirkungen wären ebenfalls an dich gebunden – und das wäre ein Bund, den du nicht leicht lösen könntest.«
»Aber es ist möglich«, hakte Mihn nach.
Ehla trank einen tiefen Schluck Tee und starrte weiterhin nachdenklich ins Feuer. »Das ist es. Ein Tarnzauber. Ich habe so etwas Ähnliches schon oft benutzt, aber für einen Geist muss es auf deine Haut gemalt werden … nein, sogar eingestochen werden, um die Energie in deinem Inneren zu halten, sonst wirkt es nicht lang. Ein Hautbild ist ein Teil von dir, und so wird auch der Zauber ein Teil von dir und kann nur entfernt werden, wenn die Haut selbst abgezogen wird.«
»Wie lange braucht Ihr für die Vorbereitung?«
Ehla zog die Nase kraus. »Einen Tag, um die Zutaten und Werkzeuge zu finden und die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Ich nehme an, dass mir der Haushofmeister alles Benötigte zur Verfügung stellen kann. Soll ich ihm verraten, wofür ich es brauche?«
»Sagt ihm vorerst noch nichts.«
»Gut. Morgen Nacht, das wäre ein bisschen zu voreilig, also in der Nacht darauf.«
Mihn erhob sich, leerte seinen Tee und reichte Fernal die
Schale mit einem dankbaren Lächeln. Der Tee hatte die Kälte nicht aus seinen Knochen vertrieben, ihm aber ermöglicht, sie hinzunehmen. Er seufzte, als ihm ein großer Stein vom Herzen fiel. Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr nach Tirah hatte er eine Aufgabe. »Danke. Ich komme übermorgen in der Abenddämmerung wieder.«
13
Legana blieb im dunklen Schatten eines Hauses stehen und wartete, bis sich das Schwindelgefühl in ihrem Kopf wieder legte. Sie widerstand dem brennenden Verlangen, sich die Schläfen zu massieren, denn diese Bewegung würde nur Aufmerksamkeit erregen. Stattdessen drückte sie ihre Finger gegen die Steinwand und war für ihre beruhigende Kühle dankbar – bis sie bemerkte, dass sie die Fingerspitzen in den Stein hineindrückte. Erneut musste sie ein mädchenhaftes Kichern unterdrücken.
»Ich werde es genießen, eine Göttin zu sein«, sagte Legana leise in die Nacht hinein und fuhr mit einem
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