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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Tür.
    »Schließt sie bitte hinter mir wieder.« Sie trat sofort hindurch, ohne vorher hineinzusehen. Die Kammer war dunkel, wurde nur spärlich von Kerzen auf einem eisernen Kronleuchter erhellt, der vom Dach hing. Die halbrunden Bänke waren in kreisförmigen Rängen angeordnet und reichten im hinteren Bereich bis auf Kopfhöhe und vorne, am Altar, bis zu den Knien.
    Legana glitt zwischen zwei Bänke und sah zum Altar.
    Fein gekleidete Menschen knieten dort, den Kopf zum Gebet gesenkt. Niemand schien sie bemerkt zu haben. Ein Kind lag auf dem Altar auf dem Rücken, zuckte leicht, und Blut lief über die Kanten. Die Dame wollte einen großen Auftritt einleiten, aber Legana folgte lieber ihren eigenen Instinkten, und die rieten zur Vorsicht.
    Ein Mann rief aus dem Dunkel: »Du hättest auf die Wachen hören sollen. Das war wirklich ein Fehler.«

    Legana fand einen Weg durch die Reihen bis zum Altar und suchte dabei den Raum ab. Fast überall standen Bänke, aber sie bemerkte schnell eine Bewegung, die der ihren folgte, und erhaschte hier und da einen Blick auf eine dunkle Gestalt, die im Schatten ging. Sie konnte den Akzent nicht einordnen, hatte ihn vermutlich nie zuvor gehört. Er klang irgendwie alt. Das war nicht gut, denn alt bedeutete gefährlich – und er wirkte nicht einmal angespannt.
    Aber sie unterschätzen Frauen immer , dachte Legana grimmig. Soll er sich den Ärger abholen.
    »Tut mir leid, dass ich Euch den Spaß verderbe«, rief sie, öffnete die Schließe ihres Mantels und ließ ihn hinter sich fallen. Die Bänke waren jetzt niedrig genug, dass sie ohne ersichtliche Mühe hinaufspringen konnte.
    Auf dem Boden vor dem Altar entdeckte sie nun Kreidesymbole, die ihn umgaben und von einem unsauberen Kreis verbunden wurden. Sie sagten ihr nichts, aber der Anblick ihres Ziels – Hohepriester Lier, der tot, mit aufgerissener Brust am Boden lag – vermittelte ihr eine gute Vorstellung davon, wozu sie dienten. Es sollte wie eine fehlgeschlagene Beschwörung aussehen. Die reichen Leute rund um den Altar standen unter einem Zauber, wurden am Leben gehalten, bis es Zeit für ihre Hinrichtung war, um dann die nötige Geräuschkulisse zu schaffen.
    »Du hast gar nichts verdorben«, sagte der Mann und trat ihr gegenüber aus dem Schatten. Er war haarlos, dürr und albinoweiß, und trug einen schwarzen Schuppenpanzer von einer Art, die sie nicht kannte. Ihre plötzliche Anspannung rührte jedoch von dem großen Breitschwert her, das er in der Hand hielt und dessen schwarze Oberfläche von Lichtern durchzogen war, die wie Sterne blinzelten. Er sprang ebenfalls auf eine Bank, legte den Kopf auf die Seite und lächelte sie an wie ein Krokodil. »Meine Güte, wie schön dein Haar ist.«

    Legana machte einen Schritt auf die niedrigere Bank vor ihr. »Du gehst jetzt schon ein zu großes Wagnis ein, oder?«, fragte sie sanft. »Alterrs Tempel zu schänden und ihren Hohepriester zu töten sollte gefährlich genug sein. Willst du es wirklich wagen, die Dame ebenfalls in die Sache hineinzuziehen?«
    Sein Lächeln wurde zu einem Schmunzeln. »Ich fürchte deine Herrin nicht«, antwortete er und streckte ihr die leere Hand entgegen.
    Legana wich zurück, denn sie spürte den Griff seiner kalten Finger um ihren Hals. Eine Welle der Macht brandete daraufhin in ihrem Inneren auf – und sie spürte, wie sich die Energie prasselnd über ihren Körper bewegte, während die gegensätzlichen Kräfte miteinander rangen. Im nächsten Augenblick war es vorbei.
    »Seltsam«, sagte er und wirkte verwundert, aber keineswegs besorgt. »Na, du bist ja was ganz Spannendes.«
    Legana machte sich nicht erst die Mühe zu antworten, sondern stieß sich von der Bank ab und sprang, die beiden Schwerter vorgestreckt, durch die Luft auf ihn zu. Während sie durch die Kammer flog, wurde sie von der Kraft einer Göttin erfüllt …
    Ein Dutzend Schritte vor dem Mörder stieß sie hart gegen eine unsichtbare Barriere, dann lagen wieder diese Hände um ihren Hals. Doch diesmal war es, als steckte ihr ganzer Körper in einem Schraubstock. Sie schrie vor Schmerz und vor ihren Augen tanzten Sterne. Die Schwerter entglitten ihrem Griff, als Feuer durch ihre Adern strömte.
    »Zu übermütig, Süße«, fauchte der Fremde. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte er sie so durch den Raum, dass sie geradezu in die Bänke krachte. Sie schnappte nach Luft und die Farben verschwammen vor ihren Augen. Doch dann erfüllte sie erneut diese Macht – und

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