Sturmbote
Lichtungen bringen, manchmal in den Schatten führen. Dein Weg wurde schon zuvor beschritten, von all denen, deren Fehler und Versagen den Verlauf deines Lebens bestimmten, und deren Schwäche das Land aus dem Gleichgewicht gebracht hat.«
»Die Wege der Toten.« Isak nickte gedankenverloren vor sich hin, Xeliaths Hand noch immer fest in seiner. »Manchmal hat es sich so angefühlt, als könnte ich die Fußstapfen vor mir und die Geister an meiner Seite sehen.«
»Sie sind auch da, vergiss das nicht, aber sie beherrschen dich nicht. Nicht Aryn Bwr, nicht dieser Schatten Azaer, nicht einmal die Götter. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, Isak, aber vielleicht kannst du die Fesseln der Zukunft zerschlagen. In einem Land, auf dem die Dunkelheit lastet, kannst du die Hoffnung einer Dämmerung bringen.«
Isak wirkte von ihren Worten beschämt. Das war für jemanden, der so jung war, eine schwere Last. Aber es gab keinen anderen Weg. Sie musste ihm vertrauen und darauf hoffen, dass er
stark genug war, sie zu tragen. Die Entscheidungen lagen ganz allein bei ihm. Trotz all ihrer Weisheit konnte sie ihm das nicht abnehmen.
Sie blickte von dem massigen Lord zu dem Mädchen, das seine Königin hätte sein sollen. Xeliath hatte während ihres Gesprächs geschwiegen, vielleicht einen Widerhall von Isaks Leid gespürt.
»Ich hoffe, dich in Scree wiederzusehen und dir dort zeigen zu können, dass du dies alles nicht allein durchstehen musst. Es gibt auch andere, die Sorge tragen und Opfer bringen werden, wenn es notwendig wird. Und jetzt«, sie zwinkerte Xeliath zu, »jetzt werde ich euch beide allein lassen.«
14
Graf Vesna blickte durch die Bäume auf die zersausten Grasbüschel, die kurz von Sonnenlicht beschienen wurden, als die Wolken aufrissen. Hinter ihm schnaubte ein Pferd leise. Die Ohren seines eigenen Pferdes zuckten, aber als er dem geliehenen Tier den Hals tätschelte, beruhigte es sich. Er bewegte die Füße vorsichtig ein wenig und zischte auf, als er seinen verletzten Zeh versehentlich belastete. Er war das Ergebnis einer knappen Flucht vor zwei Tagen. Das kleine Pferd blickte zurück und musterte den Grafen mit bebenden Nüstern, untersuchte seine Hand, in der sich ja vielleicht eine Leckerei befand. Er rang sich ein Lächeln ab und rieb ihm liebevoll die Schnauze, dann seufzte er und nahm die Wache wieder auf.
Die einzigen Geräusche stammten von einem Fluss vor ihnen und einem kleinen Zufluss links davon. Von den Männern, die auf der anderen Seite dieses kleinen Waldes Posten bezogen hatten, hörte man nichts, was Vesna noch in der letzten Woche für einen Segen gehalten hätte. Der Krieg in Tor Milist hatte sich lange hingezogen und die meisten Soldaten des Herzogs waren keine regulären Truppen, einige waren wenig mehr als Räuber, die den Schutz eines Banners genossen.
Ihre Kommandanten hielten sie nicht in Schach, tatsächlich waren einige sogar schlimmer als ihre Truppen. Und so waren
Vergewaltigungen und Plünderungen in diesem Krieg häufiger zu finden als wirkliche Schlachten. Es war eine Erleichterung gewesen, von den versoffenen Flegeln wegzukommen, die seine momentanen Verbündeten darstellten. Aber jetzt konnte sich Vesna des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich aus dem Staub gemacht haben könnten, statt sich an den Schlachtplan zu halten.
»Ihr seht aus wie ein Mann, der zu viel denkt.« Der Sprecher war ein bärtiger Veteran mit einem grausamen Lominakzent, den Vesna schon beim ersten Treffen zum Sergeant ernannt hatte. Sergeant Tael war ein grimmiger Förster im Dienste des Herzogs von Lomin – wen auch immer Isak nun dazu gemacht hatte – und einer der wenigen erfahrenen Männer in seinem Regiment.
»Männer, die vor einer Schlacht zu viel grübeln, kommen nicht zurück.«
»Das weiß ich«, sagte Vesna, »aber ich habe nicht vor, hier zu sterben.«
»Wer hat das schon?«
Vesna rang sich ein schelmisches Lächeln ab. »Du bist ein schweigsamer Mistkerl, Tael, ich gebe nicht vor zu wissen, was du vorhast.«
Diese Worte entlockten dem Sergeant ein Schnauben. »Ja, nun, jedenfalls ganz sicher nicht hier zu sterben. Ich erwarte einen Enkel und freue mich schon darauf, eine ganze Meute der kleinen Scheißer auf meinen Knien reiten zu lassen, bevor ich verrecke.«
Tael musterte Vesna nachdenklich und sagte dann: »Eurem Ausdruck nach zu urteilen, denkt Ihr über eigene Kinder nach.«
»Vergiss deine Stellung nicht, Sergeant«, warnte ihn Vesna, eher aus Gewohnheit als
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