Sturmbote
Worten verfinsterte sich Morghiens Ausdruck noch weiter. »Ich weiß, wessen Werk das ist«, murmelte er.
»Warum? Fedei machte auf mich nicht den Eindruck einer wichtigen Figur in deinen Spielen.«
Morghien schüttelte den Kopf. »Das war er auch nicht, nur ein warmherziger Gelehrter mit einem seltenen Talent, der Gabe nämlich, zukünftige Ereignisse zu sehen.« Er verstummte, fügte dann hinzu: »Xeliath hat mir einiges von dem erzählt, was in der Silbernacht geschehen ist, von dem Umschwung im Lauf der Geschichte.«
»Der zum Teil auf deine Einmischung zurückgeht«, unterbrach ihn Isak. Er war ein bisschen beschämt, dass er sich, als Carel ihm mit dem Tod gedroht hatte, nicht daran erinnert hatte, dass es Morghien gewesen war, der ihm den Weg aufgezeigt hatte, mit dem er Aryn Bwrs Angriff hatte abwehren können. »Ohne dich hätte ich wohl nicht überlebt.«
Morghien nahm den Dank mit einer stummen Geste an und starrte grimmig zu Boden. Nach einigen Augenblicken hatte er eine Entscheidung gefällt. »Ihr könnt mir den Rest der Geschichte beim Abendessen erzählen. Wir müssen mehr besprechen, als ich geahnt habe, und vielleicht kann ich etwas Licht in die Sache mit Ghorendt bringen.«
Sie setzten ihren Weg fort, solange es noch hell genug war, folgten den beiden Waldläufern am kleinen See vorbei und weiter bis zu einer Quelle, die am Rande des Waldes entsprang und durch eine Gruppe von Eschen und Ulmen floss. Sie eilten aus alter Gewohnheit am See vorbei. Stehendes Wasser war ein schlechtes Zeichen, man sollte es nur im äußersten Notfall nutzen. Solche Orte zogen nämlich die verschiedensten Geister an.
Dieser See maß nur etwas mehr als fünfzig Meter in allen Richtungen, aber so nah an der Grenze würde ein gerüttelt Maß an Schwertern und Äxten auf seinem Grund liegen. Eine Opfergabe an den größten aller Götter, der schon die Besitzer der Waffen für sich eingefordert hatte. Obwohl nicht jeder See ein Tor zu Tods Reich war, wollte hier doch keiner unnötig lang verweilen.
Die Sonne war bereits hinter dem Horizont versunken, als sie endlich Rast machten und Feuer entzündeten. Die Wärme des Tages hing noch in der Luft, als die Dunkelheit kam: die Reisenden aßen in aller Ruhe in kleinen Gruppen. An Baumstämme gelehnt, waren sie in freundschaftliche Unterhaltungen vertieft und
blickten zum beruhigenden Licht der Sterne und der beiden Monde auf.
Als sich die Soldaten für die Nacht bereitmachten, erhob sich Morghien und winkte Isak, ihm zu folgen. Das Weißauge legte sich den Schwertgurt über die Schulter und bedeutete Carel, dass er keine Begleitung wünschte. Dann brach er auf.
Nach kurzer Zeit gingen Morghien und er zwischen den Bäumen entlang, folgten der Neigung des Bodens, bis sie eine natürliche kleine Senke erreichten, kaum mehr als zwanzig Meter im Durchmesser. Am Boden der Senke befand sich ein halb versunkener Stein, die Oberfläche von Wind und Regen glatt gerieben, der aussah wie ein grob gefertigter Tisch. Isak blickte sich um und sah, dass Mihn sie vom Waldrand aus beobachtete. Der Anblick des von Schatten umrahmten Gesichts des gescheiterten Harlekins war seltsam beruhigend. Er bedeutete dem Mann, er solle wieder zu Bett gehen, war aber doch zufrieden, dass Mihn seine Anweisung missachtete und weiter Wache stand.
»Das ist günstig«, sagte Morghien und ließ eine Hand über die Oberfläche gleiten.
»Wofür günstig?«
»Für ein bisschen Magie. Ich wurde nicht mit großem Können gesegnet, aber mit dem richtigen Werkzeug ist das hier einfach genug.«
Er holte ein von den Jahren der Nutzung abgegriffenes und schartiges Silbermesser hervor. Isak spürte, dass ein leichter Zauber darauf lag, aber nicht, welcher Art er war. Morghien kratzte ein blasses Kreuz in die Oberfläche des Steins und verband die Enden, wodurch das Kreuz von einer Raute eingeschlossen war. Aus der gleichen Tasche zog er eine goldene Kette, an der dicke, übergroße Münzen hingen, die aus unterschiedlichem Material bestanden und mit Edelsteinen besetzt waren.
»Bei den Göttern«, keuchte Isak und streckte die Hand aus, um eine zu berühren. Morghien aber zog sie weg. »Was ist das?«
»Man nennt es eine Omenkette. Sie wird beim Hellsehen benutzt. Die Art, wie die Münzen fallen und liegen, kann überraschend viel aussagen, wenn der Werfende zu lesen weiß, was er da sieht.«
Morghien bemerkte Isaks skeptischen Gesichtsausdruck. »Jetzt guck nicht so«, sagte er ernst. »Das ist nicht
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