Sturmbote
murmelte Haipar.
Zhia sprach über die Schulter. »Ich durchschaue die Lage nicht. In den Jahrtausenden meines Lebens habe ich ein halbes Dutzend Städte gegründet und kann schon nicht mehr zählen, wie viele ich regierte. Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich nur selten etwas nicht verstehe.«
Ihre Gäste wichen unwillkürlich vor ihrem eisigen Tonfall zurück.
»Was wollt Ihr tun?«, fragte Aras heiser.
Zhia drehte sich ruckartig um und lächelte strahlend. »Ich will essen gehen, und danach dürft Ihr mich zur Premiere des Theaters begleiten. Ich vermute, dass dieses Erlebnis sehr erhellend sein wird.«
»Was ist das für ein Fleisch, Mayel?« Der Abt blickte skeptisch auf das graue Fleisch auf seinem Löffel.
Der junge Mann zog eine Grimasse und sagte, den Löffel auf halbem Weg zu seinem Mund: »Hase, Vater. Guter Haseneintopf.« Er wich dem Blick des Abts aus.
Dieser aß verhalten einen weiteren Löffel. »Bist du sicher?«
Natürlich bin ich sicher, dass es kein Hase ist, du dummer alter Narr. Du solltest froh sein, dass es Hund ist, wenn man bedenkt, was andere dieser Tage alles essen. Er zuckte mit den Schultern. »Der Schlachter sagte mir, es sei Hase, Vater, aber es heißt, das Essen werde knapp. Wenn diese Hitze nicht nachlässt, müssen wir möglicherweise bald ganz andere Sachen essen.«
Der Abt fragte nicht weiter nach. Er war zu müde. Dieser Sommer war der heißeste, an den er sich erinnern konnte, und jeden Tag schwitzte der zerbrechliche Körper des Abts mehr Kraft aus.
Die Magie, die er im Keller des zerfallenen Hauses wirkte, verstärkte das Problem noch, und wenn er nicht vorsichtig wäre, würde es ihn ins Grab bringen. Die Alten starben immer zuerst, brachen auf offener Straße zusammen und standen nicht wieder auf.
Sie gingen in diesen Tagen erst nach draußen, wenn die Sonne untergegangen war und trotzdem war es noch immer schwül genug, dass man schwitzte. Mayel wischte sich erneut mit dem Ärmel durch das Gesicht, aber es half nicht viel, denn seine Kleidung war schon nass vor Schweiß. Die stets frischen Kutten waren so ziemlich das Einzige, was er am Kloster vermisste, auch wenn er sie als Novize hatte waschen müssen. Er aß einen weiteren Löffel Hundeeintopf. Mit einem Mal schien ihm das Leben im Kloster gar nicht mehr so schlimm zu sein.
»Der Schlachter hat mir aber etwas Interessantes erzählt«, sagte er und hoffte, dass sie ein Gespräch von dem grausigen Eintopf ablenken würde. »Ein Verrückter behauptet, die Prophezeiung von der Blüte der Brache sei erfüllt und die Stämme in der Elfenbrache hätten sich unter einem König geeint und seien gegen die Elfen marschiert. Oder gegen die Siblis, da war sich der Schlachter nicht sicher. Er glaubte auch nicht, dass es wahr sei, aber er schwor, aus glaubhafter Quelle erfahren zu haben, dass die Geweihten untereinander in Streit geraten seien. Der Ritter-Kardinal befahl den Truppen aus Embere ihre Soldaten in Raland anzugreifen, und Telith Vener hat sie erwartet. Es heißt, dass Vener sie ausgelöscht hätte, wenn dem nicht die dritte Armee der Geweihten ein Ende gesetzt und die Truppen des Ritter-Kardinals wieder nach Embere zurückgeschickt hätte.«
»Und warum soll das interessant sein? Die Streitereien von Soldaten sind für mich ohne Belang und sollten es für dich auch sein.«
Mayel musste sich zusammennehmen, um wegen der strengen Worte des Abts nicht zu seufzen. Er sah schon eine weitere Predigt darüber kommen, dass er sich auf das Heilige beschränken sollte. »Aber Vater, wir sind doch im Augenblick nicht im Kloster und es sind gefährliche Zeiten. Ich hörte, dass ein Einmarsch der Farlan bevorstehen und die Stadt zum Schlachtfeld werden könnte …«
»Glaube nicht, was du in einer Metzgerei hörst«, betonte der Abt erneut. »Du solltest lieber ein wenig mehr Zeit im Gebet verbringen, statt auf der Straßen dem Geschwätz zu lauschen oder Botendienste für deinen Vetter zu erledigen.«
»Irgendwie müssen wir ihm seine Hilfe doch vergelten«, antwortete Mayel aufgebracht. Mayel wusste, dass er für den Abt unverzichtbar war, denn er hatte das meiste dessen, was er benötigte, bei Shandek auf Schuldschein bekommen. Ohne ihn hätte der Abt keine Woche durchgehalten. »Ich arbeite für ihn, um so dieses Haus und seinen Schutz zu bezahlen.«
»Für diese Bruchbude bezahlst du etwas? Du bist fast umgekommen, als du nach oben gehen wolltest«, murrte der Abt und musterte den Zustand der Wand neben sich.
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