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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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niedrige Brüstung lief um den Dachrand herum. Er musste also nur den Großteil seines Körpers darüber bekommen und konnte sich dann einfach in die Rinne fallen lassen – dort war er vor Blicken geschützt und in Sicherheit.
    Er atmete tief durch und rannte los, den Kopf gesenkt. Der Sprung war so weit, dass er sich gar keine Gelegenheit geben wollte, darüber nachzudenken. Er stieß sich ab, hielt den Blick auf den gewählten Landepunkt geheftet, warf Arme und Beine vor. Die Nachtluft pfiff an seinem Gesicht entlang, als sich ihm das Gebäude entgegenstreckte und er erkannte, dass es weiter entfernt war als gehofft. Er würde es nicht über die Mauer schaffen.
    Binnen eines Herzschlages traf er eine Entscheidung. Doranei zog den linken Arm so vor die Brust, dass sein Unterarm die Wucht abfangen würde. Dann prallte er knapp unter der Mauer
auf die Steinfassade, sein linker Arm wurde taub und mit dem rechten schlug er nach oben.
    Als der Haken an der Kante griff, warf der Aufprall Doranei herum. Sterne tanzten vor seinen Augen, denn die Luft war ihm aus der Lunge gepresst worden, aber er kämpfte gegen den Schmerz an, nutzte den Schwung und warf, nur an einem Arm hängend, die Beine hoch. Sie glitten über die Brüstung, und als er sich mit letzter Kraft ganz hinüberzog und in den Abfluss fiel, dankte er ächzend Cerdin, dem Gott der Diebe.
    Er rollte auf die Seite und rang nach Luft, während sein Geist zur Ruhe kam. Er versuchte über seinen pfeifenden Atem nach anderen Geräuschen zu lauschen. Die Gespräche auf der Straße wurden lauter, aber niemand rief und, wichtiger noch, er hörte keine eiligen Schritte. Die Wachen würden seinen Aufprall auf dem Dach gehört haben, aber wenn sie ihn nicht bei seinem Sprung gesehen hatten, würde sie dies allenfalls noch weiter verwirrt haben. Immerhin vermochte nur ein Verrückter einen solchen Sprung zu wagen. Wahrscheinlich würden sie diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht ziehen.
    Beweg dich , rief sich Doranei im Geiste zu und übergab die Zügel an die Ausbildung seiner Jugend, obwohl sein Körper nur dort liegen und jammern wollte. Beweg dich, denn bald wirst du nicht mehr genug Kraft haben, um von diesem verdammten Dach herunterzukommen. Er drehte sich mühsam, um das Dach in Augenschein zu nehmen. Im Schutz des Abflusses käme er um die Ecke des Hauses, wo er sich gefahrlos erheben und einen Weg ins Haus hinein suchen konnte.
    Er konnte nicht sagen, ob das Gebäude bewohnt war, aber es wäre nicht das erste Mal, dass er Hausbewohner fesseln und knebeln müsste, um zu entkommen. Er hatte die Wachen nun wohl lang genug abgelenkt – jetzt wollte er nur noch ein dunkles Loch finden, in das er sich verkriechen konnte.

    Die edle Dame Siala hatte Magier angestellt, die jede Art von magisch Begabtem aufspüren sollten, um die Tore zu passieren. Darum mussten sie König Emins Magier über die Stadtmauer hineinschmuggeln, aber das sollte nun geschehen sein. Die Bruderschaft hatte sicher keine Zeit verloren, die beiden in Sicherheit zu bringen, sobald die Wachen abgelenkt worden waren.
    Noch während er dort lag, wurde der Schmerz in seinem linken Arm stärker, zu einem heißen Pochen, das sich bald bis in seine Fingerspitzen ausbreitete. Vorsichtig richtete sich Doranei auf und versuchte die Finger zu bewegen. Es gelang ihm, der Arm war also nicht gebrochen, aber er zischte schmerzerfüllt dabei auf. Das war gut genug, mit dem Schmerz musste er eben fürs Erste leben.
    Er durchschnitt die Lederriemen mit dem Dolch und verstaute die Haken wieder in der Tasche. Dann kroch er mit zusammengebissenen Zähnen bis zum Ende der Abflussrinne, die Augen auf sein Ziel gerichtet und gegen das Feuer in seinem verletzten Arm ankämpfend. Kaum hatte er es zur Rückseite des Hauses geschafft, da erkannte er, dass Cerdin – zu dem jedes Mitglied der Bruderschaft um Glück betete – ihn nicht verlassen hatte. Vor ihm lag ein Balkon mit Stufen, die zum Hof hinabführten.
    Doranei kämpfte sich auf die Beine, wartete, bis er wieder sicher stand, dann lief er die Treppe hinab, bis er sich von dort auf die Mauer ziehen konnte, die um den Hof herum verlief. Die Mauern waren miteinander verbunden, und so kam er deutlich schneller auf ihnen voran als unten auf der Straße, auch wenn er so etwas auffälliger war. Außerdem müsste er dieselben Mauern sonst ohnehin wieder und wieder überklettern.
    Er wandte sich den Sechs Tempeln zu, um einen Verbündeten zu suchen, der seine

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