Sturmbote
und auf den Tischen tanzen, werden sie in dem Augenblick nüchtern sein, da der erste Schlag erfolgt oder jemand ein Schwert zieht. Bei diesem kleinen Vorfall letztens haben sie sich nur etwas Luft gemacht.«
»Luft gemacht?« Mikiss erschauderte. Die Brüder hatten nach dem brutalen Faustkampf in der letzten Woche stark geblutet.
»Ja, sie haben keinen wirklichen Schaden angerichtet. Shart hat zu viele Worte in sich. Manchmal kommen sie zu schnell heraus und er verärgert Keneg. Dann muss der ihn daran erinnern, wer der ältere Bruder ist und das Sagen hat.«
»Sie haben sich gegenseitig zu Klump geschlagen!«
Bernsteins Lächeln wurde noch breiter. »Bei uns im Heer gibt es ein Sprichwort: Ein Mann ist erst dann dein Bruder, wenn du mit ihm zusammen Blut vergossen hast. Die beiden sind sich nicht böse. Sogar Shart weiß, dass er nur selten gewinnt, aber es ist ihm gleich. Sie legen los, werden den ganzen Ärger los, und bevor die blauen Flecken noch verheilt sind, wird alles schon wieder vergessen sein.« Der Oberst schlug Mikiss freundschaftlich auf den Arm, der noch immer von seiner Begegnung mit der Wand schmerzte, die Sharts Schlag ihm unwillentlich beschert hatte. »Wenn aber jemand anders das Blut ihres Bruders vergießt, könnte nicht mal der übelste Bösewicht vom Finsteren Ort ihnen Einhalt gebieten.«
Mikiss warf dem Paar einen Blick zu. Shart unterhielt sich angeregt mit dem Wirt und genoss offensichtlich die Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Keneg blickte stumm zu Boden, glückselig in seiner eigenen stillen Welt. Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können. Vermutlich beginnen die meisten ihrer Zwiste damit, dass Shart Keneg versehentlich trifft, wenn er wie jetzt wild mit den Händen fuchtelt, um eine Aussage zu untermalen .
Ein Mädchen mit fettigen Haaren brachte nun etwas, das an Essen erinnerte. Sie hatte tiefe Augenringe, die auf mangelnden Schlaf hinwiesen, der wohl auch für ihre langsamen und unsicheren Bewegungen verantwortlich war. Nicht einmal Kenegs finsterer Blick, als sie etwas von dem brackigen Eintopf verschüttete, brachte sie zum Sprechen.
Oberst Bernstein machte sich daran, ein Stück harten Brotes zu verspeisen, aber seine Augen blieben beständig auf eine Ecke des Raumes gerichtet. Mikiss konnte die Männer kaum sehen, die dort saßen, es waren ein breitschultriger Mann von ungefähr Bernsteins Größe und ein kleinerer Begleiter. Sie hatten die Neuankömmlinge genau im Auge behalten, woraufhin Bernsteins Instinkte angeschlagen hatten. Jetzt saßen die beiden vorgebeugt am Tisch und betrachteten etwas.
»Merkwürdig«, flüsterte Bernstein Mikiss zu, als er bemerkte, dass sie in die gleiche Richtung blickten. »Ein seltsames Paar Arbeiter. Der eine verdammt bleich und dürr, der andere ein Soldat wie ich, und die Narben an seinen Händen bringen mich zu dem Schluss, dass er einmal eine unangenehme Begegnung mit einem Folterknecht gehabt haben muss.«
Mikiss erwartete fast, dass Shart einen Scherz machen würde, aber die Brüder waren mit ihrem Essen beschäftigt. Nur die Geräusche von Waffenhalterungen, die gelockert wurden, zeigten, dass sie seine Worte gehört hatten. »Glaubt Ihr, sie sind unseretwegen hier?«
»Das bezweifle ich. General Gaur sagte, dass hier schlimme Ereignisse bevorstehen. Seine bevorzugten Tavernen liegen vermutlich dort, wo diese Dinge geschehen. Was die beiden vorhaben, ist sicher nicht legal, aber solange es nichts mit uns zu tun hat, soll es mir einerlei sein.«
Sie verfielen in Schweigen und wandten sich dem Essen zu. Das traurige Zeug, das sich für einen Eintopf ausgab, hatte zumindest das Brot ein wenig aufgeweicht. Eine Stunde verging, dann eine weitere. Im Laufe des Nachmittags wurde es immer heißer. Durch die offenen Schlagläden und die Türen konnten sie hören, wie das Leben in der Stadt unter dem Gewicht der Hitze erst langsamer verlief und dann fast gänzlich zum Erliegen kam.
Oberst Bernstein empfahl Mikiss, etwas zu schlafen, und folgte diesem Rat dann selbst. Mikiss lag auf einer Bank und versuchte die Kraft aufzubringen, sich zu bewegen, aber er war zu schlapp. So ein Wetter hatte er noch nie erlebt. Sogar in Thotel gab es Wind und während der heißesten Stunden konnte man sich in die Tiefen eines Dunkelfelsens zurückziehen. Hier regte sich die Luft überhaupt nicht, und so war ihnen die geringste Erholung versagt. Es gab nur eine übermächtige Hilflosigkeit, die Geist und Körper schwächte. Der
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