Sturmbote
beschädigte, verrostete Tor sorgsam wieder schloss, bestätigte Mikiss in seinem Eindruck, etwas Unheiliges treibe sich in diesem Garten herum.
Ein von Unkraut übersäter Kiespfad führte vom Tor zu einer hohen, beschlagenen Tür zwischen zwei Säulen, die mit rötlichen Flechten und strahlend grünem Efeu bewachsen waren, der auch einen Teil des Hauses bedeckte und mehrere Fenster überwuchert hatte.
Der Müll und die zerbrochenen Dielen, die auf den Stufen aufgehäuft
waren, brachten Shart zu dem Schluss, dass man auf der Vorderseite gar nicht ins Haus gelangte. Nai führte sie rechts um das Haus herum zur Hinterseite und folgte dabei vereinzelten Kiesflecken, die vom ursprünglichen Weg übrig geblieben waren. Der Zaun lag nur fünfzig Schritt vom Haus entfernt, doch Mikiss hatte das Gefühl, dass diese Strecke schwerer zu überwinden wäre, als es nun schien. Halb in einem wild wuchernden Rhododendronbusch verborgen, entdeckte er einen niedrigen Steinbau, der etwa einen halben Meter aus dem Boden ragte und dessen Eingang von einem Metallgitter versperrt war. Mikiss fragte sich, wie die Leute von Scree wohl ihre Toten bestatteten und erschauderte.
Auf der Rückseite offenbarte sich das erste Zeichen dafür, dass dieses Haus doch bewohnt war: ein sauber gefegter Hinterhof mit niedriger Mauer. Der Rest war auch hier verwildert und ungepflegt. Eine gewaltige Pinie überschattete den ganzen Bereich. Daneben standen drei kleinere Bäume, fast sieben Schritt hoch, deren Kronen mit stachligen Blättern so ausladend waren, dass sie fast den Boden berührten.
»Meine Herren, lasst Eure Rucksäcke bitte hier«, sagte Nai und wies auf den Boden des Hofes. Er hatte kaum ausgesprochen, da erklang auch schon ein viermaliges Rumsen, da sie seiner Aufforderung sofort nachkamen. Nai lächelte und bemerkte sehr wohl, dass die Soldaten zwar ihr Bündel, nicht aber ihre Waffen abgelegt hatten.
Er überquerte den Hof und ging an der ausgeblichenen Tür vorbei zu einer großen Eisenplatte, die beinahe zwei Meter im Quadrat maß und schräg in den Boden eingelassen war. Er ergriff einen dicken Eisenring, stöhnte vor Anstrengung und hob die Platte an, um darunter einen Durchgang freizulegen.
Die Platte war gut fingerdick. Er war beeindruckt. Nai war weder groß noch sonderlich muskulös, und doch war die gepanzerte
Tür keine große Herausforderung für ihn gewesen. Dieser Diener hatte offenbar noch andere Besonderheiten zu bieten als seine seltsamen Füße. Er würde ihn im Auge behalten müssen.
Nai trat mit einem schiefen Lächeln im Gesicht zurück und klang triumphiernd, als er sagte: »Meine Herren, ich erlaube mir, meinen Meister vorzustellen: Isherin Purin.«
Zuerst konnte Mikiss in dem Keller nichts erkennen, dann schälten sich Formen heraus. Ein matter Lichtschimmer erwachte in der Dunkelheit, kein Lampenlicht, sondern ein merkwürdiger grüner Schimmer ohne erkennbare Quelle. Er konnte Stufen erkennen, die in einen großen Raum führten, mit einem Tisch oder vielleicht auch einer Bank darin, auf der glatte, gebogene Schemen zu sehen waren. Er sah nicht allzu lang dorthin, denn am Fuß der Treppe stand ein Mann, unbewegt und schweigend, um dessen Kopf und Schultern dieses grüne Leuchten lag. Mikiss vermochte ein Zittern nicht zu unterdrücken.
19
Feuer flackerte im Zwielicht und Hitze prickelte auf seiner Haut. Stein- und Ziegelbrocken sorgten unter inen Füßen für unsicheren Schritt, als er die Straße entlangging. Irgendwo hinter ihm ertönte ein Schrei, eine Stimme, die er so gut kannte wie seine eigene – Frau, Geliebte, Freundin? Er wusste es nicht zu sagen. Seine Erinnerungen waren von Schreien erfüllt, die sich in seinen Ohren vermischten, sich gegenseitig übertönten, bevor er sie erkennen konnte. Jede einzelne Stimme rief eine neue Kaskade der Schuld hervor, verging jedoch, bevor er sie einem Namen oder einer Tat zuweisen konnte.
Aus der Ferne erklangen andere Geräusche: rufende Leute, das Splittern von Holz, das Stöhnen einstürzender Mauern, das Klirren von Metall auf Metall. Die Stimme hinter ihm schrie erneut und diesmal wandte er sich um, sah ein verunstaltetes Wesen mit Blut an den Klauen und außerdem Leichen vor sich.
Wut packte ihn – und so ließ er das blitzende Schwert in der Scheide und sprang vor, die gepanzerten Hände vorgestreckt. Er griff nach der Kehle der Kreatur. Sie trafen aufeinander und krachten in die Wand eines Hauses, die unter ihrem Aufprall zerbrach. Sie fielen
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