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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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aber es mochte ihnen doch einen wertvollen Vorsprung erkaufen.
    Er kicherte vor sich hin. Wenn man das Messer untersuchte, fände man heraus, dass es aus dieser Gegend stammte. Er hatte es vor einigen Tagen einem Händler gestohlen. Mit etwas Glück und bei ausreichend erhitzten Gemütern würde man der falschen Spur nachjagen.
    Xeliath hatte es mittlerweile geschafft, die Decke zurückzuschlagen. Neben ihr lagen eine Reiterjacke und eine Hose. »Du musst mir beim Anziehen helfen«, sagte sie mit etwas sichererer Stimme. Schwach zog sie an ihrem Baumwollnachthemd. »Ich schaffe es nicht allein.«
    »Meine Dame …«, setzte er an, aber dann wurde ihm das Herz weich. Sie war ein Weißauge, das man verkrüppelt hatte, erinnerte er sich. Sie war früher stärker gewesen als jeder Mann im Dienste ihres Vaters, bis man ihr Schicksal mit dem Isaks verbunden hatte. Das musste einen umso größeren Schmerz bedeuten. »Ich verstehe, meine Dame.«
    Er machte sich so vorsichtig wie es die Zeit erlaubte, an die Arbeit und Xeliath gab keinen Laut von sich, obwohl sich die Pein deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnete. Ihre rechte Seite war makellos,
aber ihr linker Arm war in sich verdreht, die Hand hielt sie fest um etwas Hartes, Glattes geschlossen und an ihre knochige Hüfte gepresst. Der Arm war am stärksten versehrt, als habe die Verkrüppelung in der Faust ihren Anfang genommen und sei von dort aus weitergewandert. Ihr Bein war nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber durch die mangelnde Bewegung so verkümmert, dass die Adern deutlich durch die trockene, schuppige Haut schimmerten. Sie ertrug die Qual mit zusammengepressten Lippen und starrte auf die in den Betthimmel geschnitzten Eichen- und Ulmenblätter.
    Als Mihn fertig war, setzte er sie auf, um ihr die Stiefel anzuziehen und zuzubinden.
    Endlich blickte sie Mihn in die Augen. »Wie ist er so?«, fragte sie sanft.
    »Lord Isak?« Die Frage überraschte Mihn. »Wisst Ihr das nicht?«
    »Ich weiß, wie er in seinen Träumen aussieht«, flüsterte sie. »Aber leider sind es eben nur Träume. Sie verraten mir nichts über sein Wesen.«
    Mihn half ihr auf die Beine und ließ sie dann langsam los. Nach einem Augenblick der Unsicherheit schien sie in der Lage, zu gehen. »Lord Isak ist ein junger Mann, der versucht, ein guter Lord zu sein«, sagte er. »Er bemüht sich zu verstehen, was mit seinem Leben passiert ist.«
    »Er wehrt sich jedoch dagegen.«
    »Aber das ist doch nur natürlich, oder? Als Weißauge?«
    »Es liegt ihm im Blut, so zu handeln, aber das ist nicht immer die richtige Antwort. Das müssen ihm vielleicht andere beibringen.«
    Mihn beunruhigte es, in welche Richtung ihre Gedanken gingen. »Dann lasst uns hier verschwinden, damit Ihr ihm das selbst sagen könnt.« Er führte sie zum Fenster, öffnete die Läden einen
Spalt und spähte hinaus. Er konnte keine bewaffneten Männer in der Nähe sehen. »Könnt Ihr klettern?«
    »Ich werde es schon schaffen.«
    »Seid Ihr sicher?« Mihn musterte sie zweifelnd, bis Xeliath seine Hand mit ihrer gesunden ergriff. Ihre Finger, die noch gezittert hatten, als er ihr aus dem Bett geholfen hatte, legten sich jetzt um sein Handgelenkt und drückten zu. Einen Augenblick später stöhnte Mihn schmerzerfüllt auf und sie ließ los.
    »Verstanden«, sagte er trocken. »Ihr seid noch immer ein Weißauge.«
    »Guter Junge.«
    »Aber ohne unhöflich erscheinen zu wollen, frage ich mich doch, wie Ihr mit nur einem Arm klettern wollt. Eure linke Seite ist nicht zu gebrauchen, oder?«
    Sie verzog das Gesicht, weil sich ihre Schulter verkrampfte, als wolle sie aus eigenem Antrieb auf Mihns Frage antworten. Xeliath hob ihren linken Arm zitternd und mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen bis auf Brusthöhe. Sie drehte unter großen Schwierigkeiten die Hand nach oben, so dass Mihn sehen konnte, was sie darin hielt.
    »Ich denke, wir sollten sie trotzdem mitnehmen«, flüsterte sie.
    Mihn hatte bei der Tortur des Anziehens nicht ergründen können, was sie in ihrer versehrten Hand hielt, nur dass es hart, glatt und so warm wie ihre Haut gewesen war. Jetzt, im matten Mondlicht, sah er eine gläserne Oberfläche und sein Herz setzte für einen Schlag aus. Das letzte Mal, als er so etwas gesehen hatte, war es in Eolis eingelassen gewesen, dem Schwert Lord Isaks …
    Der Kristallschädel, den man Xeliath gegeben hatte, hatte das Gleiche getan, doch er hatte sich in die Hand gegraben, mit der sie ihn ergriffen hatte. Er

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