Sturmbote
hatte sich vermutlich sogar mit den Knochen darin verbunden. Um Xeliath den Schädel der Träume zu stehlen, müsste man sie schon verstümmeln.
Mihn erkannte, dass Lord Isak ihn zu Recht hergeschickt hatte. Früher oder später hätte jemand versucht, ihr den Schädel wegzunehmen, und dabei wäre Xeliath vermutlich gestorben.
»Darf ich Euch mit einem Seil sichern, falls Ihr abrutscht? Ich versprach meinem Lord, ich würde Euch sicher zu ihm bringen.«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Ich war hier fast ein Jahr lang eingesperrt und werde jetzt aus eigener Kraft entkommen oder bei dem Versuch sterben. Die Wünsche des Mannes, der daran Schuld trägt, interessieren mich nicht.«
Sie kletterte unter großen Schwierigkeiten die Mauer hinab, hielt sich an den Schlingpflanzen fest, während sie mit den Füßen einen sicheren Halt suchte. Ihre grimmige Entschlossenheit zahlte sich aus und schließlich fiel sie Morghien beinahe in die wartenden Arme.
Sie rückten langsam vor, während sich über ihnen ein Sturm zusammenbraute. Mit Seliaseis Hilfe erreichten sie den Rand des Waldes, als erste dicke Tropfen durch die Blätter rauschten. Morghien ging mit einer Wurfaxt in der Hand vor. Xeliath erlaubte Mihn, an ihrer Seite zu gehen und sie mit einem Arm um die Hüfte davor zu bewahren, dass ihre ungeübten Beine unter ihr wegglitten.
»Diebe, sind sie das?«, fragte eine Frauenstimme hinter ihnen.
Mihn stolperte vor Schreck und riss so beinahe Xeliath zu Boden. Morghien drehte sich mit erhobener Axt herum. Mihn konnte seinem Gefährten nicht zu Hilfe eilen, drehte sich jedoch mit Xeliath, damit sie sehen konnte, wer da gesprochen hatte. Morghien unterdessen blieb mit kampfbereiter Waffe einfach stehen.
Einige Schritte vor ihnen standen drei junge Frauen in langen Kleidern. Lockiges Haar reichte ihnen bis zur Hüfte. Die Haut der mittleren wies die gleiche Färbung auf wie die von Xeliath. Die Haut der linken war wie dunkles Ebenholz und die der rechten
war kaffeebraun gemustert und schimmerte im Mondlicht silbern.
»Sie müssen wohl Diebe sein, Schwestern«, sprach die Schwarzhäutige weiter. Ihre Haut war so dunkel, dass Mihn nur scharfe, kleine Zähne und grüne Augen in ihrem Gesicht erkennen konnte. »Können wir das erlauben?«
»Wie sollten wir das erlauben können?«, schnurrte die mittlere Schwester. »Aus unserem Reich gestohlen, wo wir doch ihre Familie schützen müssen? Nein, sie müssen bestraft werden.«
»Wir haben gar nichts gestohlen«, sagte Morghien, woraufhin sich ihm alle drei Frauen gierig zuwandten.
»Fremde, die durch Fenster hineinschleichen, davoneilen, bevor Alarm geschlagen wird, mit einem edlen Kind unter dem Mantel. Diebe, das denken wir.« Sie stieß die Worte giftig aus. »Die Wachen zu umgehen ist leicht, aber uns? Nein, nein! Wir spüren alles, was in dieser Gegend geschieht, und wie hätten wir einen fremden Geist übersehen können, der über unsere Felder spaziert?«
Aus dem Augenwinkel sah Mihn ein weißes Flackern um Morghiens Kopf. Seliasei , dachte er. Wenn sie besorgt ist, sollten wir es vielleicht auch sein.
»Sie stehlen nichts, Wolfswelpen«, antwortete Xeliath nachdrücklich. »Geht und lasst uns passieren.«
Die Schwester in der Mitte warf ihr einen mitleidigen Blick zu und spielte dabei ungeduldig mit ihren Fingern. »Du kannst uns nichts befehlen, diesen Dienst erweisen wir nur deinem Vater.«
»Wolfswelpen«, stieß Mihn aus. »Ihr müsst die Töchter Meqaos sein, die Aspekte von Amavoq, die an diesen Ort gebunden sind.«
»Das sind wir«, sagte die Schwester mit der Haut, die wie Eschenborke aussah. »Und es ist uns egal, wer du bist, also sei vorsichtig, wie du mit uns sprichst.«
»Er spricht mit euch, wie es ihm beliebt«, fauchte Xeliath. »Und ihr werdet zurück zu euren Bäumen laufen und euch dort verstecken, bis wir weit entfernt sind. Morgen früh, wenn ihr euch meinem Vater schließlich zeigt, werdet ihr sagen, ich sei davongelaufen, um einen Soldaten zu heiraten, den ich am Hofe traf, als er mich vorstellte, und dass er mir nicht folgen soll. Er wird früh genug von mir hören.«
Die Schwestern traten mit einem gierigen Ausdruck vor, die Zähne gebleckt und mit hängender Zunge. »Und warum sollten wir das tun, Kleine?«
»Weil ihr sonst meine Feinde seid.«
Während Xeliath sprach, spürte Mihn plötzlich Wärme durch den Arm aufsteigen, den er stützte. Ein Feuer loderte in ihr auf, das sogar seinen Körper mit prickelnder Energie
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