Sturmbote
Schäfte so lang waren, dass sie beinahe über den Boden schleiften und die Schneiden gegen seine Rippen
drückten. Mikiss trug bis auf die dicken Bronzearmschienen, die er über seinen Mantel geschnallt hatte, keine Rüstung. Doranei konnte sich das nicht erklären. Er behielt Mikiss im Auge. Die Verwandlung hatte unterschiedliche Auswirkungen auf die Leute. Ein sanfter Geist konnte manchmal über Nacht zu einem irrsinnigen Monster verdorben werden. Man sah es jedoch nicht kommen, bis es zu spät war.
»Ah, mein Schützling kommt«, sagte Zhia strahlend. »Ich denke, dass Mikiss mein Geschenk allmählich zu würdigen weiß.«
Bernstein stieß ein wütendes Knurren aus, sein Gesicht rötete sich und so war es offensichtlich, dass er, der Mikiss als Einziger vorher schon gekannt hatte, alles andere als glücklich über die Verwandlung war. Doranei konnte es ihm nachfühlen. Wenn ein Bruder verwandelt worden wäre, hätte Doranei ihn sofort getötet, um ihn vor späteren Schrecken zu bewahren. Diese Tatsache und seine ihr widersprechende Reaktion auf Zhias Geruch war von Tag zu Tag schwerer zu ertragen. Die Vukotic-Familie unterschied sich von anderen Vampiren, das stimmte. Und trotzdem war jedes einzelne Mitglied dieser Familie auch ein Monster – selbst wenn Doranei sie nur als Opfer betrachten konnte, das auf der Verliererseite des Krieges gestanden hatte.
Mehrere Gestalten näherten sich. Zwei Akolythen der Narren kamen vom anderen Ende der Barrikade zu ihnen gelaufen, wobei ihre Masken wie Geistergesichter in der Dunkelheit hüpften. Vier Schemen lösten sich aus einer Gruppe von Soldaten im Schatten des größten Gebäudes. Sie wurden im Näherkommen zu Haipar, der Gestaltwandlerin, der Farlan Legana, noch immer in der Rüstung des Weißen Zirkels, zu Nai, dem Gehilfen des Nekromanten und zu einer großen, stämmigen Gestalt, die Doranei bereits in Zhias Haus in einem dunklen Türrahmen hatte stehen sehen.
Als sich ihr kleines Gefolge versammelt hatte, sagte Zhia: »Ich habe lange genug die Staatsfrau gespielt. Und die Ereignisse haben in den letzten Wochen eine seltsame Richtung eingeschlagen. Haipar, jeder Soldat hier wird entweder dir oder Bernstein gehorchen. Bring diese Leute nach Helrect und entscheide dort, was du tun willst. Die Stadt hat kein Heer, das sie beschützen könnte, also kannst du entweder die Herrschaft an dich reißen oder deinen Sold nehmen und gehen …«
»Ich komme mit dir«, knurrte Haipar. »Erizol und Matak sind tot. Ich werde dies bis zum Ende mitmachen.«
Zhia zögerte einen Augenblick, wollte schon etwas sagen, zuckte dann aber nur mit den Achseln. »Wie du wünschst.« Niedergeschlagen seufzte sie. »Ihr Raylin seid schon ein seltsames Völkchen. Legana, Ihr solltet auch mit uns kommen. Panro, hol meine Besitztümer und triff mich auf der anderen Seite der Barrikade.«
König Emin räusperte sich. »Meine Dame, wir können uns nicht mit Gepäck belasten, es würde uns nur aufhalten.«
Die Vampirfrau sagte mit einem schmalen Lächeln: »Euer Majestät, es sind nur einige persönliche Dinge, die Euch nicht in die Quere kommen werden.« Unter ihrem Kürass zog sie drei Ketten hervor und lächelte so breit, dass ihre langen Zähne aufblitzten. An jeder Kette hingen geschliffene Juwelen, ein Vermögen in dicken, blinkenden Steinen. »Bei einem Leben wie dem meinen lernt man, mit leichtem Gepäck zu reisen, aber es gibt einige Annehmlichkeiten, die einer Dame in meiner Lage nicht vorenthalten werden sollten. Und Edelsteine stellen überall eine gute Währung dar. Also, wollen wir?«
27
Isak hielt den Blick auf den Boden gerichtet, um nicht über einen der geborstenen Ziegel zu stolpern, die am Boden lagen, während er auf die Straßenecke zulief, an der Oberst Jachen und der Waldläufer Jeil kauerten. Vor ihnen war die Rückwand des Hauses im ersten Stock durchbrochen worden, und so blickte er zu dem schwarzen Loch empor. Das Gebäude war in eine Kaserne für Fysthrall-Soldaten umgewandelt worden, worüber sich die reichen Leute, die ringsum wohnten, sicher gefreut hatten. In diesem Teil der Stadt war es noch immer dunkel, also waren sie erstmal vor dem Aufruhr sicher, den sie im Süden Screes sehen konnten.
»Wie sieht es aus?«, fragte er leise.
Jachen blickte auf. Durch das Visier des Helmes waren nur seine Augen zu sehen, aber sie verrieten schon die Nervosität des Mannes. »Alles wirkt ruhig, mein Lord. Die Späher haben keine Menschenansammlungen entdecken
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