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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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mit den Füßen oder gingen auf und ab. Vor der Mauer hatte früher der Garten gelegen und mehrere Reihen niedriger Büsche würden den Angreifern als Deckung dienen können. Überall im Garten lagen verdrehte Gestalten und Isak erkannte, dass aus einigen der Körper Pfeile ragten.
    »Jetzt brauchen wir eine Ablenkung«, flüsterte er. »Etwas, das uns nah genug heranbringt, um sie alle schnell zu erledigen.«
    »Und wie sieht dein Plan aus?«, fragte Vesna.
    Isak hörte die Hoffnung in seiner Stimme. »Hat mein treuer Gefolgsmann etwa Angst, dass ich mir erst jetzt einen ausdenke?«
    »Ich bin gar nicht mehr dein Gefolgsmann«, erinnerte ihn der Graf, »aber ich bleibe ein treuer Diener des Stammes, darum möchte ich gerne erfahren, welche Aufgabe du mir zugedacht hast.«
    »Hervorragend.« Isak lächelte. »Dann muss ich jetzt ein paar Fledermäuse auftreiben.«
    »Fledermäuse?«, fragten Vesna und Jachen fast gleichzeitig.
    »Fledermäuse, ja. Boten der Nacht, die geflügelten Diener Tods. Seht euch die Männer auf der Mauer an. Sie sind unruhig, laufen hin und her und zucken bei dem leisesten Geräusch zusammen. Keiner steht dort still. Das sagt mir, dass sie nervös sind. Ich denke, wir sollten uns der Erhabenheit der Götter bedienen, wenn wir einen Ketzer bestrafen wollen. Es gilt ihre Symbole zu nutzen.«
    Isak grinste den Grafen an, der erschöpft den Kopf schüttelte. »Du bist ein Vorbild für uns alle, mein Lord«, sagte er düster.

    Isak klopfte dem Mann auf die Wölbung seines Helmes. »Das dachte ich mir. Jetzt sei still, ich muss mich konzentrieren.«
    Er zog einen seiner Handschuhe aus und schloss die Augen, während er mit den Fingerspitzen über den mit seinem Brustpanzer verbundenen Kristallschädel strich. Er war wie immer erstaunlich warm, fühlte sich jetzt aber so glitschig und rutschig an wie ein nasser Eiszapfen. Seine Finger glitten fast ohne Widerstand über die Oberfläche. Er griff mit seinen Sinnen nach dem Land in der Ferne. Die Luft war stickig und trocken – und er konnte die eiternden Wunden der sterbenden Stadt beinahe schmecken. Scree lag wie auf dem Totenbett und näherte sich dem letzten Atemzug. Er spürte die leeren Straßen um sich herum, den Steinstaub ihrer zertrümmerten Knochen und den heißen Gestank ihres faulenden Fleisches.
    Im Geiste stieß sich Isak vom Boden ab und flog durch die kühle Nachtluft, ließ die engen Straßen wie abgeworfene Haut unter sich zurück. Er spürte den erholsamen Kuss des Windes weit über ihnen und atmete vor Freude auf, als ihn die Böen in ihre eisigen Arme nahmen. Das kalte Licht der Monde kitzelte ihn und vertrieb die Reste von Screes Bedrückung in ihm, entließ das Gift aus seinen Adern.
    Isak seufzte. Er bemerkte erst jetzt, wie sehr er es vermisst hatte, Magie zu nutzen und die Energie in seinen Knochen zu spüren. Aber er hatte keine Wahl gehabt. Bei der gewaltigen Macht, die zwei Schädel bedeuteten, hätte die ganze Stadt schon bei einer kleinen Unachtsamkeit von seiner Anwesenheit erfahren. Er hatte dieses Risiko nicht eingehen können, aber jetzt … jetzt war es so, als kehre er in die Umarmung einer Geliebten zurück.
    Die Hexe hat mir geraten anzunehmen, was in mir steckt , dachte er lächelnd, und warum sollte sie damit nicht auch die Magie gemeint haben? Sie hat mich mein ganzes Leben lang begleitet, vom
Mutterleib bis zum Thron auf mich eingewirkt. Entweder nehme ich sie an und beherrsche sie, oder ich laufe Gefahr, dass sie mich beherrscht.
    Er ließ seine Gedanken zu dem Schlachtfeld vor Lomin zurückwandern, dessen winterliche Landschaft ihm in dieser grausamen Sommerhitze unendlich weit entfernt vorkam, und er erinnerte sich an den erschreckenden Augenblick, in dem er sich in den Sturmfluten der Magie verloren hatte, die durch seinen Körper gebrandet waren. So etwas werde ich nie wieder zulassen, versprach er sich.
    Hier oben, von der hellen Nacht beruhigt, nur mit den Monden als Gefährten, war er zufrieden. Und dann endlich spürte er die Anwesenheit Nartis’ erneut. Hinter dem westlichen Horizont hielt er beständig Wacht über ein Land, das sich dessen nicht bewusst war. Es war nicht mit der wütenden Flut zu vergleichen, die Isak bei Bahls Tod gespürt hatte, als der drohende Sturm in seinen zerbrechlichen Körper krachte und ihn erhob, bis er bei den Göttern weilte. Es war vielmehr eine sanfte und angenehme Berührung. Isaks Verbindung zu seinem Gott war ein zerbrechliches Ding, so schwach, dass er sie

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