Sturmbote
am Boden kniete, und winkte Isak zu sich. In der Stimme des Mannes lag keinerlei Dringlichkeit, dennoch lief Isak die zwanzig Schritt bis zu ihm mit einem Knoten im Magen. Bevor er ankam, hörte er eine vertraute Stimme fluchen: »Vorsichtig, du ungelenker Mistkerl!«
Als er Carel erreichte, lächelte Isak erleichtert. Nur um die Schweigenden musste man sich Sorgen machen. Der Soldat war dabei, Carel vorsichtig den Brustpanzer abzunehmen. Die Armschienen hatte er bereits abgeschnitten. Es gab nicht viel Blut, darum vermutete Isak, dass es sich um einen bösen Bruch handelte. Er ging in die Hocke und nahm die Armschiene auf, um einen Finger über die gespaltene und eingedellte Platte knapp über dem Ellenbogen gleiten zu lassen. Das war ein übler Treffer gewesen.
»Bist du vom Pferd gefallen, alter Mann?«
»Lass mich doch in Ruhe … Das war ein Streitkolben, wie du sehr genau weißt«, gab Carel scharf zurück. Er stöhnte erneut auf, als der Brustpanzer an seinem Hemd hängen blieb. »Wir sind nicht alle aus Eisen, du dumpfhirniger Tor. O ihr Götter, tut das weh! Irgendjemand soll mir eine Flasche Branntwein bringen.«
Der Soldat, der seinen Kommandanten versorgte, zog ein Messer aus dem Gürtel und schnitt den Hemdsärmel ab. Carels einstmals kräftiger Arm war bleich, bis auf eine verfärbte gewaltige Schwellung, die langsam zum Vorschein kam. Isak erkannte am Winkel, dass es ein gemeiner Bruch war. Die Farbe ließ ihn vermuten, dass Jeil sein Bestes würde geben müssen, um den Arm zu retten.
»Ihr Götter, das sieht nicht gut aus«, sagte der Soldat unbedacht.
»Das weiß ich selbst, du Scheißkerl«, fauchte Carel. »Nartis sei Dank, dass es meine Linke ist.«
»Lord Isak«, rief eine dröhnende Stimme, und als Isak sich umdrehte, kam der Mann, den Vesna als Kardinal Disten erkannt
hatte, auf ihn zu. Er war tatsächlich wie der Kaplan gekleidet, der er einmal gewesen war. Doch als er näher kam, erkannte Isak, dass die stahlblauen Säume seiner Robe geflickt und verblasst waren. Der Kardinal war eine beeindruckende Gestalt. Er war zwar einige Jahre älter als Carel, schätzte Isak, hatte aber noch immer die kräftige Form eines jungen Mannes und war mehr als zwei Meter groß. Sein langer Bart und die wenigen verbliebenen Strähnen auf seinem Kopf waren grau und auf seinem schmalen, faltigen Gesicht prangten zahlreiche Narben. Nur seine Augen straften das augenscheinliche Alter Lügen, denn sie glühten wild unter struppigen dunklen Brauen.
»Mein Lord, es ist eine Ehre, Euch kennenzulernen«, sagte Kardinal Disten und sank auf ein Knie. Von seiner am Gürtel hängenden Mondglefe tropfte Blut auf das zertrampelte Gras.
»Ebenso wie Euch. Aber wenn Ihr verzeiht, im Augenblick bin ich zu beschäftigt, um Höflichkeiten auszutauschen.« Er wandte sich wieder zum verletzten Carel um, als er aufstöhnte.
»Isak, erledige deine Aufgabe. Du bist kein Heiler, und wenn du glaubst, ich würde es zulassen, dass du Hand an mich legst, dann muss dein Kopf im Kampf verletzt worden sein.« Carel rang sich ein Lächeln ab und Isak erwiderte es. Nachdem er Carels unverletzte Hand berührt hatte, erhob er sich.
»Nun, Kardinal, wie es scheint habe ich wohl doch Zeit. Bitte, erhebt Euch.« Er wies auf Karlat Certinse, dem man unterdessen seine Rüstung abgenommen hatte. »Nun endlich könnt Ihr das letzte Kapitel Eures Buches schreiben.«
»Ha«, machte der Kardinal freudlos. »Darauf habe ich ganz sicher eine lange Zeit gewartet, aber ich werde nicht aufhören, bis ich sie alle gekriegt habe. Mein Leben wird glücklicher sein, wenn sich erst seine Mutter dem Richtspruch der Götter stellen muss. Ich bete darum, dass sich die Kreaturen des Finsteren Ortes für das ganze Pack etwas ganz Neues einfallen lassen.«
Zu Isaks Verwunderung lag in der Stimme des Kardinals wenig Zufriedenheit, nur eine grimmige Entschlossenheit. Er vermutete, dass die langen Jahre der Jagd auf die Anhänger Malichs für ihn eher Beruf als Berufung waren. Vielleicht hatte der Kardinal auch nur die Nase voll von dunklen Geheimnissen und dem Tod. Isak hatte bereits erfahren müssen, dass ein Übermaß von einer dieser Sachen die Seele eines Mannes bitter werden lassen konnte.
»Würdet Ihr mir den Gefallen tun, Euch darum zu kümmern, sie mit meiner Ermächtigung alle vor Gericht zu bringen?«
»Ich werde tun, was mir befohlen wird, mein Lord.« Kardinal Disten verneigte sich tief und winkte dann einer Gruppe von Männern, die hinter ihm
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