Sturmbote
»Die Bruderschaft hat eine Reihe von … wir nennen sie Vertraute … die von ungewöhnlichen Methoden Gebrauch machen – und in einigen Fällen ihren Verstand verloren haben. Diese Männer haben wir zwar nicht in den Orden aufgenommen, aber sie sind uns oft von Nutzen.«
»Das ist keine Erklärung«, sagte Isak. Der Lordprotektor blickte einen Augenblick betroffen drein, wechselte von einem Fuß auf den anderen und versuchte, dem starren Blick des Weißauges standzuhalten.
»Die Akademie der Magie würde ihn als wilden Magier beschreiben, und das ist er auch. Aber er ist nicht irrsinnig oder gottlos. Seine Methoden unterscheiden sich schlichtweg von denen anderer Magier, und dadurch wird er zum wertvollen Verbündeten.«
»Warum zögert Ihr, mir das mitzuteilen? Diese Erklärung ist doch einleuchtend genug.«
Torl seufzte. »Das mag sein, aber wie er vom Tod Lord Bahls erfuhr, ist nicht so einfach erklärt. Zuerst hatte er eine Vision, nachdem er mehrere Stunden das Licht beobachtet hatte, das durch die Äste einer Eibe fiel, dann erkannte er etwas in den Bewegungen der Blätter im Kräutergarten. Die meisten würden dies mit einem Propheten in Verbindung bringen, und ich wollte nicht, dass Ihr einen solchen Eindruck vom Orden bekommt.«
»Ihr habt meine Neugier geweckt«, sagte Isak. »Vielleicht sollte ich diesen Mann kennenlernen. Und wenn Ihr ihn zum Palast in Tirah bringt, freue ich mich auch auf Euren Bericht über die Bruderschaft.«
»Mein Lord …«
Isak unterbrach ihn sofort: »Eure Treue steht außer Frage, aber ich muss wissen, welche anderweitigen Bünde meine Adligen unterhalten. Die Ereignisse in Narkang und Thotel haben mir gezeigt, dass ich nichts außer Acht lassen darf, schon gar nicht die Handlungen meiner Untertanen.«
»Dann stimmen dir Gerüchte über Thotel?«, fragte Lordprotektor Saroc dazwischen, bevor Torl weitere Widerworte machen konnte. Es war ihm bewusst, dass die Dunklen Mönche und die Geister sich misstrauisch beäugten. Beide Seiten hatten die Waffen noch keineswegs weggesteckt. »Hat Lord Styrax die Stadt erobert und den Tempel der Sonne niedergerissen?«
Isak nickte. »So hat man es mir berichtet.«
»Aber was ist mit Narkang? Kehrtet Ihr nicht zurück, um Euer Erbe anzutreten, weil Ihr Lord Bahls Tod spürtet?«
»Bedauerlicherweise ist es nicht so einfach. Dieser Landstrich könnte noch weitere Kämpfe erleben, bevor …«
»Mein Lord«, unterbrach der Waldläufer Jeil. »Ich brauche Eure Hilfe.«
Isak nickte den Lordprotektoren zu und kehrte zu Carel zurück. Dort ging er neben Jeil in die Hocke und musterte das verletzte Glied. Carel war fürchterlich bleich und während er keuchend atmete, beinahe nach Luft schnappte, floss der Schweiß an ihm herab.
»Ich kann den Arm nicht retten«, sagte Jeil ruhig. Er hatte zu viel Erfahrung, um die Wahrheit vor Carel verbergen zu wollen. »Ihr … seid wohl dazu am … geeignetsten.«
»Ich? Ich habe so etwas noch nie gemacht«, protestierte Isak.
Jeil wies auf Eolis. »Der Marschall braucht im Augenblick keinen Heiler. Er braucht einen Schlächter, und, ich bitte um Verzeihung, mein Lord, Ihr seid der Beste, den wir haben. Eolis wird den saubersten Schnitt führen, und mit einer einzigen Berührung der Klinge könntet Ihr die Wunde ausbrennen.«
Isak blickte auf Carel hinab. Der Mann wurde vor seinen Augen immer schwächer.
»Es gibt keinen anderen Weg?«
»Keinen.«
Isak sah sich um, aber niemand erwiderte seinen Blick. Also stand er auf und zog Eolis. Carel schrie vor Schmerz auf, als Jeil den verletzten Arm vom Körper abrückte und Isak bedeutete, wo er den Schnitt ansetzen sollte. Als Isak das schlanke Schwert anhob, warf er Herzog Certinse einen Blick so voller Hass zu, dass dieser ängstlich in sich zusammensank.
»Auf einen Pfahl«, knurrte Isak. Dann schlug er zu.
4
»Lord Isak, auf Euer Wohl!« Lordprotektor Saroc, der in Seide und feinstem Linnen völlig anders aussah, hob seinen Becher, auf dass die anderen Gäste es ihm nachtaten. Eine bronzene Brosche mit seinem Kelchemblem prangte an seiner linken Schulter, und nun trug er den Ohrschmuck, der seinem Rang anstand. Die drei Ringe in seinem linken Ohr bestanden jedoch nicht wie bei Graf Vesna oder Lordprotektor Torl aus reinem Gold. Sie waren kunstvoll verziert und mit Splittern schwarzen Bernsteins besetzt. Isak war ausgesprochen erstaunt gewesen, dass sich der in tiefes Schwarz gekleidete, tiefgläubige Saroc bei der Ankunft in seinem
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