Sturmbote
Anwesen in einen regelrechten Pfau verwandelt hatte.
Die Männer sprachen dem Lordprotektor nach, die Damen, allesamt in eng anliegende Kleider gehüllt und mit Federn im Haar, summten ihre Zustimmung. Dies war das erste Mal, dass Isak einen formellen Trinkspruch der Farlan erlebte, aber Tila hatte im Vorfeld Zeit gefunden, ihm zu erläutern, was von ihm erwartet wurde. Es lief zusammengenommen darauf hinaus, dass er seinen Kelch leeren musste, wann immer sein Name erwähnt wurde. Er verstand aber noch immer nicht, warum nur waffentragende Männer lauter als murmelnd sprechen durften. Einige trugen nur aus diesem Grund zeremonielle Schwerter.
Den Krug zu leeren, dazu war Isak im Namen der Etikette nur zu gern bereit – und er tat es schwungvoll. Dann nickte er jedem Edelmann an der Tafel huldvoll zu und stellte den Kelch ab, auf dass er neu gefüllt werde. Doch irgendwie hatte er sich verschätzt und von der Erschütterung, als das Gefäß auf den Tisch traf, wurde eine Schale Reis in die Luft gehoben und kippte um. Er blickte stirnrunzelnd auf den Tisch hinab. Er wirkte näher als erwartet. Isak hob den Blick wieder und bemerkte, dass ihm verwunderte Gesichter zugewandt waren. Das war wohl recht laut gewesen, was ihn daran erinnerte, dass seine Gestalt für diesen eher zierlichen Speisesaal einfach zu groß war.
Hitze stieg in seinem Nacken auf, als er die Blicke der Anwesenden auf sich spürte. Über die Maßen vorsichtig löste er seine Finger von dem Kelch und hob die Hand, um sich bei dem Lordprotektor zu entschuldigen, der lächelte und huldvoll nickte, während die übrigen Gäste peinlich berührt beiseiteschauten. O verdammt, ich bin doch der Ehrengast , dachte Isak. Ich sollte mich nicht entschuldigen. Sagte Tila nicht, dass ich bei einem Mahl zu meinen Ehren nichts falsch machen kann?
»Er wird schon wieder.« Die sanfte Stimme in seinem Ohr wurde von einem Hauch Parfüm begleitet. Um sie herum fingen die Gespräche langsam wieder an und die Gäste widmeten sich erneut dem Essen.
Isak wandte sich zu Tila um und nickte mürrisch. Zumindest in diesem Punkt waren sich die Ärzte einig gewesen, wenn es auch der einzige war. Ein Mönch in mittlerem Alter mit kaltem Blick war zusammen mit drei Novizen aus einem nahen Kloster gekommen, um bei der Versorgung der Verwundeten zu helfen. Er war dem Lordprotektor freundlich und Lord Isak höflich entgegengetreten, aber als er eine Frau dabei beobachtet hatte, die sich ebenfalls um die Verwundeten kümmerte, hatte sein Gesichtsausdruck seine wahren Gefühle offenbart. Ihr kurzes Haar
hatte den Blick auf Narben und Hautbilder an ihrem Hals offenbart, die sie als Hexe auswiesen. Niemand hatte etwas gesagt, aber sogar die erfahrenen Soldaten hatten sich ihrer Meinung unterworfen.
»Ich weiß, dass er das wird«, sagte Isak und stocherte mit dem Messer in dem Stück Schweinefleisch auf seinem Teller herum. »Aber ich muss beständig an den Geruch verbrannten Fleisches denken.«
Er blickte auf die rund vierzig Gesichter in dem Saal, von denen ihn einige noch immer mit leichter Sorge betrachteten. Die Gräfin Saroc war jemand, der wenig Zeit für Alkohol hatte und wenig Geduld mit Betrunkenen. Isak ignorierte ihren stechenden Blick, der aus einem langen, schmalen Gesicht funkelte. Seine natürliche Ausstrahlung hatte bei Gegenständen mehr Erfolg als bei der Gräfin, aber ihre Höflichkeit war makellos und ihr Mitgefühl für die Verletzten ohne Beispiel. Da war es nur ein kleines Übel, dass sie ihn nicht mochte.
»Er ist zu alt, um Männer in die Schlacht zu führen«, fuhr Isak fort und stocherte weiter im Essen. Es war zu reichhaltig und ließ seinen Magen grummeln. Abgesehen vom Wein hatte er nur Reis und eine Schale eingelegter Tomaten zu sich genommen. Er warf sich eine weitere in den Mund, leckte das Öl von den Fingern und seufzte. »Ich hätte es nicht von ihm verlangen sollen.«
»Ihr habt recht, er ist zu alt«, stimmte Tila ihm zu, legte die Hand auf seinen Unterarm. »Aber Euch trifft keine Schuld. Der alte Falke weiß seine Kräfte genauer einzuschätzen als Ihr – und Ihr könnt kaum behaupten, die Gefahren des Kampfes besser zu kennen als er. Er trifft seine eigenen Entscheidungen.«
Auf Isaks grünbordigem Aufschlag wirkte ihre Hand wie die eines Kindes. Sie hatten in letzter Zeit wenig Gelegenheit, als Freunde beieinanderzusitzen und sich zu unterhalten. Isak neidete Tila und Graf Vesna die Liebe nicht, die sich zwischen ihnen
entsponnen
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