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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Ilumene ist der General, der Eroberer – und nicht ich.«
Rojak streckte die zur Kralle gekrümmte Hand aus und fuhr mit einem Finger über Venns aus rautenförmigen Flicken zusammengesetzten Ärmel. In diesem Licht erschien er pechschwarz. Nur im Sonnenlicht konnte man erkennen, dass sein Wams aus verschiedenen Stoffstücken zusammengesetzt worden war, die man gefärbt hatte. »Ihr seid kein General, aber Ihr müsst erobern. Ihr wart der Beste Eures Volkes, bis Ihr die Wahrheit hinter den heiligen Worten erkanntet, die Eurem Stamm gegeben wurden. Jetzt müsst Ihr zu ihnen zurückkehren und die Kunde vom Herold des Zwielichts verbreiten.«
    »Werden sie mir folgen?«
    »Die Harlekine dienen schon zu lang. Ihr müsst ihnen ein eigenes Banner geben. Sie sind nicht länger Kinder Tods, die sich so sehr vor ihrem Vater fürchten, dass sie es nicht wagen, seine Farben zu tragen. Gebt ihnen ein Banner. Gebt ihnen einen König.«
    Rojaks Körper konnte die Mühen des Sprechens nicht länger ertragen, und so ging verloren, was er vielleicht noch hatte sagen wollen. Er sank in sich zusammen und glitt noch weiter im Stuhl hinab.
    Venn beugte sich weiter herab, darauf achtend, dass er Rojaks Haut nicht berührte, und entspannte sich erst wieder, als er einen letzten Funken Leben in dem Barden fand. Dann trat er zurück und verbeugte sich knapp. »Wie Ihr befehlt, Herold.« Er wollte sich schon abwenden, zögerte dann aber und beugte sich noch einmal vor, um dem sterbenden Barden in die Augen blicken zu können. »Eure Prophezeiung, die Ihr dem Stallburschen in Embere eingegeben habt … sie spricht von einer Frau, die sich aus den Überresten Screes erheben wird.«
    »Schätze und Verlust aus der Dunkelheit, aus heiligen Händen an eine Dame aus Asche gegeben. Es ist der Kern der Prophezeiung von der Herrschaft des Zwielichts.«

    »Wenn Ihr sie aber nicht hier halten könnt, wie soll sie dann wahr werden? Sie werden den Schädel an sich nehmen und damit die Prophezeiung widerlegen – und wenn die Prophezeiung sich nicht bewahrheitet, wie soll dann Azaer jemals Gestalt annehmen und dem Land als der Erlöser erscheinen?«
    »Habt Vertrauen«, sagte Rojak und biss gegen den Schmerz die Zähne aufeinander. »Sie werden nicht mehr an sich nehmen, als ich ihnen erlaube. Die Herrschaft unseres Lords steht bevor. Ilumene weiß, was zu tun ist. Vertraut ihm. Und jetzt geh.«
    Diesmal kam Venn der Aufforderung sofort nach.
    Der Barde lauschte den Geräuschen, die Venn auf seinem Weg über den Schutt in die Dunkelheit machen mochte, aber er vernahm nichts. Er hörte nur noch dumpfe und verwirrende Laute, als wäre die Verbindung von seinen Ohren zu seinem Verstand unterbrochen worden. Allein das wütende Prasseln der Flammen und das nervöse Schlurfen der Wachhunde hinter ihm konnte er über das allgegenwärtige Murmeln um ihn herum vernehmen. Er spürte die bemitleidenswerten, irrsinnigen Gestalten, die man gar nicht mehr Menschen nennen konnte, und die sich in Gruppen hier herumtrieben. Aber die große Flut war bereits nach Norden weitergezogen. Die Verbliebenen starrten voller Abscheu an den Leichen von Hunderten ihrer Gefährten vorbei auf einen Gott, dem sie nicht wehtun konnten.
    »Wie lauten Eure Befehle, Barde?« Die Worte der Herrin klangen mürrisch, und er wusste, dass sie damit ihre Angst verbergen wollte. Er erlaubte sich einen Moment der Verachtung den Söldnern gegenüber. Wenn es um Ehre und Reichtümer ging, waren sie voller Inbrunst, aber wenn sie in einem Loch landeten, beschwerten sie sich ohne Unterlass. Er schmunzelte. Bald würden sie sich nicht mehr beschweren können. Bald würde es nichts mehr bedeuten, wenn sie es taten, denn bald gäbe es niemanden mehr, der ihnen zuhören könnte.

    »Wartet«, flüsterte Rojak. »Wartet, bis sie näher gekommen sind. Zuerst müssen sie den Abt töten, und wenn sein Blut vergossen wurde, dann fallt über sie her.«
    »Sie haben sich aufgeteilt«, warnte Flitter von ihrem Posten aus. »Eine Gruppe umrundet uns und kommt von hinten.«
    »Dann halte sie auf«, seufzte Rojak und schloss für einige Herzschläge die Augen. Etwas, das noch jenseits des Schlafs der größten Erschöpfung lag, lockte ihn – und die Versuchung wurde beinahe zu groß für ihn. Nur der Atem seines uralten Meisters, der sanft an seinem Ohr vorbeistrich, hielt ihn noch wach. Azaer war weiterhin bei ihm, geduldig und unnachgiebig.
    Er durfte sich nicht ausruhen, noch nicht. Er musste noch eine

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