Sturmbote
von einem verrückten Bürger übrig blieb, der dem letzten Haustier der Herrin zu nahe gekommen war. »König Emin ist so nah – und bald wird er alles haben, was er sich wünscht.«
Dann spielen wir es zu Ende. Mach deine letzten Züge auf dem Spielbrett, bevor du fällst .
Rojak versuchte zu nicken, aber es war zu viel für ihn. Tod war so nah, dass er nur den Arm heben musste, um seine Robe zu berühren, wie man in Embere zu sagen pflegte …
Aber nein, nicht Tod. Der Herr der Götter würde ihn nicht einfordern können. Das war keine schwarze Robe um ihn herum, es waren nur Schatten. Tod bekam ihn nicht. Es gab kein Wort für das, was mit Rojak geschehen würde, wenn sein Körper endlich nachgab. Es wäre ein Ende, aber nicht der Tod.
Die Flammen verschwammen Rojak vor den Augen, doch dann traten die Einzelheiten der Straße vor ihm wieder in den
Mittelpunkt. Er sah den verwesenden Leib einer Wyvern, eine der beiden, die sich jene Raylin hielt, die man die Herrin nannte. Das Tier hatte großen Anteil an dem Gestank toten Fleisches, der hier herrschte. Es hatte nach etwas geschnappt, das es für eine Leiche gehalten hatte. Doch kaum war ein Reißzahn auf Rojaks Ärmel getroffen, da hatte es sich mit der Pest des Barden angesteckt. Sie war von den scharfen Zähnen auf die Zunge übergegangen und von dort den Rachen hinab. Die einstmals in unzähligen Grün- und Goldtönen schimmernden Schuppen waren ihr von eitergefüllten Beulen vom Leib gesprengt worden, und dickes, schwarzes Blut war ihr aus allen Körperöffnungen gelaufen. Binnen weniger Augenblicke war die Wyvern zu einem weiteren verwesenden Haufen auf dem Boden geworden.
Rojak saß im ersten Stock eines kleinen Hauses, der nun den Elementen ausgesetzt war, weil die Magie des Abts das Dach und die Wände weggerissen hatte. Das Gebäude lag der Stelle am nächsten, an der sich der Abt zusammengekrümmt hatte. Vor sich hinplappernd lag er am Boden dessen, was einmal sein Keller gewesen war. Die zornige Verkörperung von Erwillen, dem Aspektführer des Abtes, war von der Macht des Schädels und zufälligen Energieschüben roher Magie erfüllt gewesen und hatte das Gebäude in Stücke gerissen.
Die Überreste brannten noch immer mit heißen Flammen. Der Schutzring aus Flammen hielt für den Augenblick auch die mutigsten Bürger Screes ab. Es stand nur noch wenig von dem Haus, lediglich die Steine des Küchenherds und die Wand gegenüber ragten weiterhin mannshoch auf. Der Rest war zu abgebrochenen Holzbalken und Trümmerhaufen geworden. Dazwischen sah er die vom Ruß geschwärzten Federn und Klauen des Hohen Jägers. Rojak konnte die Kreatur schwer atmen hören, was ohne Zweifel im Gleichklang mit den Anstrengungen Abt Dorens geschah.
»Venn«, krächzte er. Der dürre Mann trat an seine Seite, als glitte er über Eis heran. Das mit Hautbildern verzierte Gesicht blieb dabei ausdruckslos. Diamantformen verliefen über seine linke Wange, um sein Ohr herum und die Seite des Halses hinab, wo sie unter dem ausgefransten Kragen seines Wamses verschwanden. »Es wird Zeit, dass Ihr aufbrecht.«
»Ich soll aufbrechen?«, fragte Venn überrascht. Er sprach mit den vollen, rollenden Vokalen der Embere. Es war seine Leidenschaft, stets den Akzent der jeweiligen Heimat zu benutzen, wenn er mit jemandem sprach. Selbst bei Leuten wie Rojak, die jede Verbindung zu ihrer Vergangenheit hinter sich gelassen hatten, war dies so.
»Ihr müsst sofort aufbrechen«, wiederholte Rojak. »Ihr dürft Euch nicht in den Tod der Stadt verstricken.«
»Ihr werdet mich hier brauchen«, bemerkte Venn und wies auf Flitter, die an der äußeren Ecke kauerte und zum zerstörten Haus des Abts hinabsah. Wäre Rojak in der Lage gewesen, den Kopf zu drehen und durch den dichter werdenden Schattenschleier zu blicken, der auf seinen Augen lag, so hätte er drei dichte Soldatentrupps sehen können, die sich näherten. »Flitter sagte, König Emin sei uns zahlenmäßig überlegen. Er hat eine Vampirfrau bei sich.«
Rojak bedeutete Venn näher zu kommen, was er auch ohne zu zögern tat, wobei seine Nasenflügel allerdings bebten. »Was hier geschehen soll, entscheide ich allein. Ich habe Pläne mit Euch, also folgt meinen Befehlen.«
Venn widersprach nicht mehr. Er wusste nur zu gut, dass Rojaks Weitsicht übernatürlich war. »Was soll ich tun?«
»Findet Ilumene. Ihr beide bereitet den Weg, sorgt dafür, dass das Land für die Zwielichtherrschaft unseres Meisters bereit ist.«
»Wie?
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